Luxemburg, Belgien und die deutschen Saubeutel

Seit Tagen versuche ich mich an einem Text über unseren Ausflug nach Luxemburg bzw. Belgien. Es will mir nicht so recht gelingen. Ich möchte berichten über unsere Rast in Entenpfuhl, einem Ort, der historische und biographische Insidenzen in sich vereint. Im Frühjahr 2020, auf unserem Rücksturz aus Portugal in das gelobte „coronasichere Deutschland“ fuhren wir an der A6 an dem Rastplatz Entenpfuhl vorbei. Im August 2021, auf unserem Weg nach Trier, erreichen wir das Forstamt Soonwald Entenpfuhl. Normalerweise kommt hier niemand vorbei, der nicht unbedingt dort hin muß. Aber wir haben unserem Navigationsgerät die Autobahnen ausgetrieben und so müsen wir uns durch die Pampa schlagen. Nicht die schlechteste Option, in der Regel. In dem Ort befindet sich ein Denkmal für den Jäger aus Kurpfalz. Der Kaiser Wilhelm 2nd, der mit dem Schnauzer und den Kriegsambitionen, war hier höchstselbst, um das Denkmal einzuweihen. Wir finden uns sozusagen auf historischem Boden, obwohl der im Moment ziemlich durchnäßt und unbegehbar wirkt. Das Denkmal und seine Umgebung haben ihre besten Zeiten ebenfalls hinter sich. Das Lied „Der Jäger aus Kurpfalz“, ein Lied mit unbekannter Herkunft, war unserem ehemaligen Kanzler Helmut Kohl ein Herzensanliegen. Bei öffentlichen Auftritten ließ er es als Pfälzer gerne spielen, allerdings ohne die Strophen 3-5. Das wäre dann doch zu viel Saubeutelei gewesen, die ursprünglich sexuelle Konnotation des Liedgutes wurde verschwiegen, uns vorenthalten wie die „blühenden Landschaften“. Weiter nach Luxemburg. In Echternach rattern überdimensionierte Entfeuchtungsgeräte, um die Gebäude trocken zu legen. Die Sauer trat über die Ufer, wie an der Ahr. Nur in Deutschland hörte man nichts davon. Luxemburg ist weit weg. Die national-mediale Steuerung funktioniert prächtig. Die erduldete Wasserhöhe durch das Unwetter ist an vielen Sandsteinhäusern sichtbar. Nasser Sandstein zeigt lange seine unfreiwillige Verbindung mit Wasser. Die Kleine Luxemburgische Schweiz, bzw. das Mullerthal überrascht mit urigen Felsformationen und im Vergleich zur Fränkischen Schweiz, mit naturnaher Bewirtschaftung, die in den Wanderbereichen fast schon an forstwirtschaftliches Nichtstun grenzt. In Belgien müssen wir natürlich Pommes frites probieren. In Verbindung mit Moules wird daraus ein Klassiker der belgischen Küche. In Malmedy werden wir fündig und gönnen uns dazu noch das ein und andere Starkbier, ohne Vanille, Brombeer, und sonstige Aromen, für die die belgische Bierbrauerzunft so berühmt ist. Landschaftlich erinnert Luxemburg und die angrenzende Region in Belgien an die Eifel. Die Ardennen sind ja die Fortsetzung dieses Gebirgszuges unter anderem Namen. In Belgien stapfen wir in der Hohen Venn durch ein acht Kilometer langes Moorgebiet auf den klassischen Holzstegen, wie wir sie aus Estland, oder dem „Schwarzen Moor“ in der Rhön bereits kennen. Mit Rastgelegenheiten und Infotafeln am Weg haben sie es in Belgien nicht so, hier wird anscheinend ohne Rast bis zum Ende gelaufen. Auch gut, unsere Schuhe sind danach ziemlich versifft, da wir streckenweise auf durchnässten Moorwegen unterwegs sind. Tröstlicherweise bleiben wir auf unserem Wege nicht allein. Durch den Morast müssen alle zurück und das Ausklopfen und säubern der Schuhe hat so etwas wie eine gemeinschaftsstiftende Funktion.

Kohl war wohl nicht hier…
Unser Übernachtungsplatz in Trier.
In Echternach.
Moorgewächse.
An einer Wetterstation mitten im Moor.
Schlammige Wege…
Miesmuscheln mit Pommes…
… und dazu ein belgisches Bier.
Wo früher Zigarettenschachteln lagen…

Miltenberg, oder der Topos des Südens

Eine Stadt, die uns mitten im August, an den gefühlt wärmsten Tagen des Jahres anspringt wie ein Ort weiter südlich ( ja, anspringt, nicht erscheint, oder vorkommt). Die Lichter der Nacht, die Straßen am Tag. Die Anmutung des Nachtpanoramas samt dazu gehörender Geräuschkulisse des Verkehrs erinnert an Tage am Gardasee. Abends finden an der Flußmauer Partys statt. Ein Ghettoblaster hier, ein Bluetooth-Lautsprecher dort, die ihre Songkonserven aus den 70er, 80er, und 90er Jahren in die Dunkelheit schicken. Selbst tagsüber verschwindet der Eindruck südlichen Flairs nicht. Die Gassen sind belebt. Das „Unkraut“ steht an vielen Plätzen und darf stehen. Es gehört zum Ensemble, macht es vollständig. Schiffe auf dem Wasser. Vom Ausflugsdampfer bis zum Skipper mit seinem Schlauchboot. Alles ist vorhanden (nicht vertreten) und kurvt auf dem Main. An seinem Ufer wird gegrüßt, gebadet und den Ausflüglern des Stroms zugewunken. Dort findet sich ebenfalls die Karikatur eines Deutschen ein, der seinen Enkeln Vorträge über Gott und die Welt hält. Auf allen Gebieten kennt er sich aus, erläutert den Kindern etwa, der Main habe die Form des Buchstabens „W“. Mit beiden Armen in die Hüften gestemmt, doziert er unermüdlich mäandernd wie der Fluß auf dem er fährt. In den Gassen Miltenbergs schwirren Satzfetzen umher: „… denn das sind Spezialisten“. „Die sind vom Fach…“. „Nein, ich möchte nur meine Möglichkeiten abwägen…“. Auf einem Schlag weicht der Ansprung südlicher Lebensart der fränkischen Realität. Die Blase platzt und gibt der Einsicht Raum, daß Gehörschutz manchmal von Vorteil wäre, um die Vorstellung einer idealisierten Umgebung aufrecht zu erhalten.