Ostern – auf der Suche nach den Vongole
Von Sighetu Marmatiei nach Mauthausen
Die Stadt Sighetu Marmatiei im Norden der Region Maramures grenzt direkt an die Ukraine. Hier befindet sich das sehenswerte Museum mit dem sperrigen Namen Memorialul Victimelor Comunismolui si al Rezistentei (Gedenkstätte der Opfer des Kommunismus und des Widerstands), oder kurz: Memorialul Durerii (Mahnmal des Schmerzes). In dem ehemaligen Gefängnis der Securitate wird einem die Grausamkeit des kommunistischen Machtapparates vor Augen geführt.
Einige hundert Kilometer weiter westlich liegt die KZ-Gedenkstätte Mauthausen, das ehemalige größte Konzentrationslager auf österreichischem Boden. Auch hier eine Manifestation des Terrors und des Größenwahns. Bei allen Unterschieden der beiden Gedenkstätten gibt es doch einige Gemeinsamkeiten. Sie machen deutlich, wie dünn der Firnis aus Zivilisation und Humanität sind und wie grausam der Mensch gegenüber seinen eigenen Artgenossen sein kann, egal welche Ideologie oder Weltanschauung dem menschlichen Denken und Handeln zugrunde liegt. Jede fundamentale Absolutsetzung des Denkens wird diese Unmenschlichkeiten hervorbringen. In diesem Sinne graut es mir vor der Zukunft….
Die Maramures und der Zug
Laut Reiseführer müssen wir die Zugfahrt in Viseu de Sus unbedingt machen. Sonst, ja was sonst? Na dann wären wir wieder einmal nicht hier gewesen. So ein „must-see“ dürfen wir schließlich nicht verpassen. Im Nachhinein betrachtet wäre es sicher kein Verlust gewesen, es verpasst zu haben. Nun gut, wir steigen ein, in die einzige noch existierende Schmalspurbahn Rumäniens, die nicht nur für Touristen auf den Gleisen steht, sondern mit dem auch heute noch das Holz aus den schwer zugänglichen Regionen an der ukrainischen Grenze nach Viseu de Sus transportiert wird. Zwei Engländer und wir beide sind die einzigen Ausländer im Zug. Ansonsten sind die Waggons mit Rumänen im Wochenendmodus gefüllt. In der Sitzreihe vor uns haben sich ein Seeppelhutträger und ein Herr nieder gelassen, der in einer Tour meckert wie eine Ziege. Nach einer gewissen Zeit wissen wir beide nicht was nervenzehrender ist. Das Lachen unseres Vordermannes, oder die Stöße im Rückrat, wenn der Zug von einem Gleiselement ins nächste springt. Die dabei entstehenden Geräusche klingen in unseren Ohren nicht gerade vertrauenserweckend. So muß sich Zugfahren früher angefühlt haben. Unsere Mitreisenden sind zumindest sehr entspannt. Dank der Witze unseres meckernden Herren, fühlen wir uns, als machten wir mit irgendeinem Faschingsverein einen Bahnausflug.
Die Moldauklöster – Unterwegs in der Bukowina.
In einem Vorort von Reghin (Sächsisch-Regen) glauben wir unseren Schlafplatz für die Nacht gefunden zu haben. Das letzte Haus des Ortes ist ca. 200 Meter entfernt. Links von uns befindet sich das Bahngleis, auf dem alle halbe Stunde ein Zug vorbei rattert. Rechts von uns liegen Gärten, in denen Tomaten, Mais und anderes Gemüse wächst. Wir kochen, spülen und sind bereits im Schlafmodus, als direkt neben unserem Wagen ein Schuß fällt. Zuerst denken wir uns nichts dabei. Doch als nach ein paar Minuten weitere Schüße folgen und wir deren Druckwelle im Wagen spüren, wird uns mulmig. Vor der Schiebetür sind Schritte zu hören. Wir entschließen uns den Ort zu verlassen. Nachdem wir die Rollos von den Fenstern aufgerissen haben, starten wir den Motor und fahren den geschotterten Weg Richtung Dorfstraße zurück. Am Ende der Straße passieren wir zwei Männer mit Taschenlampen, die grimmig dreinschauen. Doch wo sollen wir zu später Stunde noch hin? Wir stellen uns vor die Polizeistation des Dorfes und haben schließlich noch eine ruhige Nacht. In der Bar nebenan trinken wir am nächsten Morgen einen Kaffee. Galten die Schüße uns? Wir wissen es nicht. Zu vermuten ist es. Die Angst vor dem Fremden ist ein universelles Phänomen.
In der Region Moldau (Bukowina) fallen uns sofort die Hausdächer ins Auge. Es dominieren hier Blechdächer und nicht selten in der Farbe Blau. Hinweisschilder zu orthodoxen Klöstern begegnen uns ständig. Die imposanten Klöster sind in einem erstklassigen Zustand. Der Kontrast aus vergoldeten Kuppeln und mit Kupfer gedeckten Dächern zur Bausubstanz in unmittelbarer Nachbarschaft könnte mancherorts nicht größer sein. Und die Klöster sind bewohnt und werden von Gläubigen rege besucht. Nachwuchsprobleme haben die rumänisch-orthodoxen Ordensgemeinschaften anscheinend nicht, im Gegensatz zu ihren westeuropäischen Brüdern und Schwestern mit katholischer und evangelischer Glaubensprägung. Der christliche Glaube wird bei den Nonnen und Patern allerdings genauso lebendig gelebt wie bei uns. Zum Einkaufen bei Kaufland wird der SUV als standesgemäßes Gefährt gewählt, während dem bettelnden Schnorrer eine moralisierende Verneinung seiner Bitte genügen muß.
Berge, Kutschen und Burgen
Unsere Pläne ans Schwarze Meer und ins Donaudelta zu fahren haben wir ad acta gelegt. Hin und zurück wären das an die 1000 Kilometer mehr. Stattdessen haben wir uns vorgenommen, Siebenbürgen (Transsylvanien) intensiver zu bereisen. Schäßburg wirkt auf uns wie das rumänische Rothenburg ob der Tauber. Die Stadt ist am Tage von Touristen bevölkert. An vielen historischen Plätzen der Stadt schallt uns das amerikanische Idiom entgegen. Am zentralen Markt warten Touristenbähnchen darauf, Besucher durch die Stadt zu kutschieren. Trotzdem wirkt die Stadt nicht aufgesetzt. Einheimische stecken ihre Köpfe zusammen und halten einen Plausch, dazwischen Schulkinder auf dem Weg nach Hause. Erwähnenswert ist außerdem, daß man bei „Ferdinand“ eine Steinofenpizza serviert, die aus einem neapolitanischen Lokal stammen könnte. Ein fluffiger leicht angekohlter Rand in Verbindung mit einem dünnen Boden, so eine Pizza wird uns in Deutschland selten aufgetragen.
Die Walachei streifen wir nur an ihrem südlichen Ausläufer. In den Ortschaften stehen Bänke vor den Häusern. Manchmal sind es die auch bei uns beliebten BayWa-Bänke, in der Regel bestehen sie aus Mauersteinen, auf dem einfach ein Holzbrett gelegt wurde. Alte Frauen mit Kopftüchern begleiten ständig unseren Blick. Am späten Nachmittag gesellen sich Männer zum Bild, die ihre grasenden Kühe von der Weide nach Hause führen. BMWs und Audis, die mit einem Affentempo Pferdefuhrwerke überholen. Je nach Region stehen Stände an den Straßen, die Zwiebel, Kartoffel, Eingemachtes und vor allem Honig und Pilze zum Verkauf anbieten. Der Charakter der Menschen ist eher karg, aufmerksam und desinteressiert zugleich. Wir werden zwar registriert, aber viel Neugier wird uns nicht entgegen gebracht. Stecken wir allerdings mit unserem Van wieder einmal in der nassen Wiese fest, naht sofort Hilfe, ohne daß wir danach explizit verlangt hätten. Zwei Männer mit ihrem Radlader ziehen uns mit einem Stahlseil ganz selbstverständlich auf den geschotterten Weg zurück. Ein Dankeschön und ein kurzer Blickkontakt und die Helfer sind so schnell verschwunden, wie sie gekommen sind.
Geschwindigkeitsschilder haben Unterhaltungscharakter. Durch Ortschaften gleiten wir im 5. Gang mit ca. 70 km/h und werden dennoch überholt. Als Richtschnur kann gelten, die Geschwindigkeitsangaben der Schilder zu verdoppeln. Nur so erhalten wir einigermaßen die Viskosität des Verkehrsflusses. In der 30er-Zone fährt man eben 70km/h und ansonsten eben so schnell es geht. Geschwindigkeitskontrollen gibt es öfters, allerdings werden wir von entgegen kommenden Autofahrern per Lichthupe gewarnt. Gefühlt die Hälfte der rumänischen Fahrzeuge verfügt über CB-Funk, erkennbar an den zusätzlichen langen Antennen auf den Autodächern. Dort werden die Warnungen vor den mobilen Blitzanlagen an die Autofahrer in der Umgebung abgesetzt. Wenn jemand mal langsam vor uns herfährt sind wir gewarnt. Liegt die Radaranlage bzw. Polizeistreife hinter uns, gibt unser Vordermann Gas und ist innerhalb kürzester Zeit in der nächsten Kurve verschwunden.
Rumänien, gibt es denn dort was zu sehen?
Diese Frage kommt nicht von ungefähr, sondern stammt aus dem Munde meiner Tante, als sie erfuhr, daß wir nach Rumänien reisen werden. Die Frage läßt sich eindeutig mit Ja beantworten, hat doch unsere Reiseführer einen Umfang von knapp 700 Seiten. Doch bekanntlich halten wir uns bei unserer Reiseplanung nicht an diese Machwerke, die nur dem Zweck dienen, die Ströme an Toursisten zu lenken und uns dazu anleiten, auf vorgetretenen Pfaden die Welt zu bereisen. Die Transalpina reißt uns nicht wirklich vom Hocker. Wir sind schon schönere und auch schwerere Pässe gefahren. Zum Großteil geht die Fahrt durch Waldgebiete. Die Steigungen und Kehren sind moderat und der Straßenbelag wurde anscheinend frisch geteert. Rastmöglichkeiten bzw. Parkbuchsen am Weg sind fast nicht vorhanden. Ein zweckmäßiger Pass eben, um von A nach B zu kommen und somit sehr rumänisch, hat man doch den Eindruck, die Autofahrer rasen deswegen so schnell, um möglichst zeitig ihr Ziel zu erreichen. Nicht weit von hier ist die Landschaft mindestens genauso traumhaft, nur handelt es sich um eine ganz normale Verbindungsstraße, die in keinem Reiseführer als touristisches Highlight gepriesen wird. Sanfte Hügelketten werden von Waldgebieten unterbrochen. Bäche säumen den Weg, der hi und da von schroffen Felsen flankiert wird. Dabei handelt es sich um eine Landschaft, die den Blick in die Ferne schweifen läßt. Die hohen, über 2000 Meter aufragenden Berge stehen immer irgendwo am Horizont und vervollständigen das Panorama aus sanften Hügelketten, die sich in Reih und Glied vor unseren Augen aneinander reihen.
Als Lektüre reisen Bücher zweier rumänischer Autoren mit. Das „Heilige und das Profane“ von Mircea Eliade, einem Religionshistoriker. Und zwei Werke von E.M.Cioran, dem „Erzpessimisten“, der in der Nähe von Sibiu (Hermannstadt) geboren wurde, die längste Zeit seines Lebens allerdings in Paris gelebt hat. Beide eint ihre anfängliche Begeisterung für die „Eiserne Garde“, was sie in späteren Jahren bereuten. So gesehen reisen wieder einmal die richtigen Schriftsteller mit, denn die Biografie der beiden weist Brüche auf, vergleichbar etwa mit dem deutschen Lyriker Gottfried Benn, der in der damaligen Zeit ebenfalls kurzzeitig dem NS-Regime zugeneigt war. Trotzdem sind die Lebensläufe und die Werke dieser Menschen interessanter als die derer, die „immer schon alles gewußt haben“ und das in ihren Augen „vor allem besser.“
Lidl, Kaufland , H&M, Kik, Deichmann, Obi und Co. Betrachtet man ausschließlich den Bereich des Konsumsektors, haben wir Deutschland nicht verlassen, oder anders ausgedrückt, uns wird überall auf der Welt mittlerweile die gleiche Soße serviert. Vor allem die Fast-Food-Giganten liefern sich in Rumänien einen Verdrängungswettbewerb. Wo ein KFC ist, kommt mit Sicherheit ein paar Kilometer weiter ein Burger-King und ein McDonalds. Die kulinarische Gleichförmigkeit greift auch hier um sich und bedroht die nationalen Kochtraditionen. Auf der anderen Seite sieht man in Rumänien nicht nur Range Rovers und teuere Audis, sondern auch den Bauern, der mit dem Pferdegespann zum Minimarkt im Dorf fährt, oder seine Kuh an der Leine über die Straße führt. Man sollte hier nicht dem exotisch-nostalgischen Reflex erliegen. Vermutlich würde der Bauer seine Kuh lieber per Autoanhänger von der Weide holen. Die Schere zwischen unterschiedlichen Lebenstandards ist immens und vor allem auf dem Land zu beobachten. Die Kühe stehen hier oftmals auf der Straße und es ist, anders als in Deutschland keine Sonderdurchsage im Rundfunk, bzw. das Ausrücken der Polizei nötig, um die „Gefahrenlage Kuh“ zu beenden. Hier fährt man einfach um die Kühe herum.
Vom Massif Central nach daheem
Zurück in Deutschland werden die Unterscheide zwischen Spanien/ Frankreich und Deutschland besonders offensichtlich. Wie schon öfters erwähnt, muß man in Deutschland öffentliche Mülltonnen suchen. Klar, in südlichen Ländern stehen die Alltagsmülltonnen der Menschen an den Straßen und Häusern, aber davon ist hier nicht die Rede. Es geht um die Park- und Rastplätze und in dieser Hinsicht sind uns diese Länder (mittlerweile) um Welten voraus. Hier wird, anders als bei uns, durch Plakate und Schilder kein müllfreier Parkplatz herbeigewünscht, sondern etwas getan. Es werden Mülleimer aufgestellt. So einfach ist die Lösung. Nicht an das moralisch-ökologische Gewissen appellieren, sondern praktisch handeln ist die Devise. Und sie geht auf. Die Straßenränder in Frankreich sind heute weniger versifft als bei uns. Den „Mülltrennern“ der Welt geht es anscheinend eher um das individuelle Müllbewußtsein, als um die öffentliche Sauberkeit. Ja, der Einwand „Es kost halt a Gald“ liegt nahe. Doch bleibt zu fragen, ob denn die französischen und spanischen Kommunen nicht rechnen können? Warum praktizieren die das, während wir unsere öffentlichen Mülleimer abbauen bzw. nur spärlich aufstellen? Glauben wir in Deutschland wirklich, daß der lettische LKW-Fahrer seine leere Fischsalatverpackung wieder mit nach Hause nimmt? Wenn kein Mülleimer da ist, wird er den Kram in der Pampa abladen. Wohin auch sonst? Dafür würden auch wir den nächsten Wertstoffhof nicht ansteuern.
Unsere Souvenirs sind alle von kulinarischer Art. Der Speck aus dem Baskenland fehlt auf dem Bild. Er erinnert in seiner Machart an einen italienischen Guanciale und wird uns in einigen Carbonara-Gerichten sicher guten Geschmack geben. Bei der Verköstigung auf dem Hof wird er hauchdünn aufgeschnitten und kurz erwärmt. Das Ergebnis: Er schmilzt wie Kaviar auf der Zunge. Wir sind auf alle Fälle gespannt. Schnecken und Schweineohren sind in Deutschland sehr schwer zu bekommen, deswegen sind sie als Dosenware mit dabei. Und die Calamares in eigener Tinte müssen einfach mit. Die alten Bestände aus Lanzarote sind längst aufgebraucht. Was gibt es köstlicheres zum Frühstück, als eine Dose Calamares en su tinta mit Toastbrot.
In Spanien und Frankreich tippen wir auf Displays wie an einem Bankautomaten herum. Die Bezahlung der Serviceleistung geht nur mit Kreditkarte (nicht mit EC), danach öffnet sich die Schranke und der Stellplatz kann befahren werden. Videoüberwachung ist natürlich obligatorisch. Immer mehr kommunale Stellplätze sind mit dieser Technik versehen. In Deutschland bezahlt man dagegen immer noch mit der guten alten Münze. Kartenzahlung gibt es hier nicht. Sollen wir das bedauern? Nein. Uns ist die Bezahlung in Münzen lieber. Da haben wir mehr Kontrolle. Dennoch ist der Befund bezeichnend. In Hinblick auf den Ausbau digitaler Technik sind wir nicht nur Mittelmaß, sondern reihen uns in Deutschland eher in die hinteren Ränge ein, so zumindest unser Eindruck nach drei Jahren, in denen wir unterschiedliche Ländern Europas bereist haben. Da ändert auch eine Digitaltussy „Bär“ nichts daran. Im Gegenteil, irgendwo hier zwischen Personalienschieberei, konservativen Verhalten der Menschen und staatlicher Überregulierung dürfte der Hund begraben sein.
Aus der Camperküche – Boudin noir und Froschschenkel
Blutwurst ist nicht nur eine Spezialität der deutschen Küche, sie findet sich auf den Speiseplänen weltweit. Die Engländer bezeichnen sie als Black pudding, die Franzosen als Boudin noir. In Spanien heißt sie Morcilla und wird im Gegensatz zur deutschen Blutwurst ähnlich kreativ gewürzt wie ihr französisches Pendant. In Frankreich wird die Boudin in der Regel erhitzt und somit entsteht in Verbindung mit Kartoffeln eine Ähnlichkeit zum Gericht „Himmel und Erde“ der deutschen Küche. Mit einer ausreichenden Menge Kartoffeln wird die Boudin mit Zwiebelfüllung zu einem vollwertigem Abendessen. Gott sei Dank wacht die Bruderschaft der Ritter der Blutwurst (Confrérie des Chevaliers du Goûte Boudin) über die Qualität der Verwurstung. Ja, „es geht um die Wurst“ und in diesem Fall liegen auch die Ritter der Kokosnuss und ihr Black pudding mit den Franzosen auf gleicher Wellenlänge.
Irgendwann findet man sie doch in der Gefriertruhe, die Froschschenkel. Als Nahrungsmittel waren sie früher auch bei uns gängig. In der Schweiz, Belgien, Portugal, der Karibik und asiatischen Ländern stehen sie noch heute auf dem Speiseplan, ebenso im französisch geprägten Teil der U.S.A. Im Sinne des Tierschutzes ist von einem Verzehr abzuraten. Die meißten Frösche stammen aus Wildfängen und ihre Tötung ist in aller Regel nicht tierschutzgrecht. Wir probieren sie trotzdem, Tierschutz hin oder her. Wir wollen wissen wie sie schmecken. In einer Pfanne mit Olivenöl braten wir die Froschschenkel von beiden Seiten an. Dabei salzen und pfeffern wir dezent, denn das Fleisch der Frösche bringt genug Eigengeschmack mit. Wenn wir den Geschmack beschreiben sollten, erinnert er uns in erster Linie an Fisch und zwar an Dorsch bzw. Kabeljau. Interessanterweise saugen die Schenkel fast kein Öl. Die Pfannenreste entpuppen sich beim Spülen allerdings als Superkleber. Es kostet ein wenig Zeit, die Pfanne vom Froschkleber zu säubern. Fazit: Essbar ist das Gericht, der ökologisch-moralische Aspekt muß dabei negiert werden. Haben wir damit ein Problem? Nein.
Der Schamane von Lascaux
Im französischen Baskenland, in der Nähe der Gemeinde Hasparren statten wir den Höhlen Isturitz und Oxocelhaya einen Besuch ab. In Spanien steht für uns die für ihre Darstellungen bekannte Altamira-Höhle auf dem Programm. Zu einem Besuch kommt es allerdings nicht, da dem Parkplatzwärter unser Parkverhalten mißfällt, er uns durch diesen Zwischfall unsere Motivation raubt, worauf wir das Weite suchen. Altamira werden wir in diesem Leben wohl nicht mehr sehen. Im spanisch-französischen Grenzgebiet befinden sich jedoch einige Höhlen, die für die prähistorische Forschung von herausragender Bedeutung sind. Als wir den Shell-Atlas studieren, um unsere Rückreise aus Spanien zu planen, entdecken wir in der Nähe der französischen Stadt Périgueux den Eintrag Grotte de Lascaux.
Zu dieser Höhle habe ich einen persönlichen Bezug. In meiner Magisterabschlußprüfung in Ethnologie wurde mir von meinem Professor eine Darstellung aus der Höhle vorgelegt, die ich interpretieren sollte. Sie zeigt ein Bison und einen Mann. Das von einem Speer durchbohrte Bison, dessen Eingeweide aus dem Bauch herausquellen, geht auf einen gestürzten Mann mit Vogelkopf los, der vierfingerig (Vögel) und mit erigiertem Geschlecht dargestellt wird. Eine gebrochene Speerschleuder (?) mit Vogelkopf liegt an seiner Seite. Was könnte nun diese Malerei darstellen? Naheliegend wäre es, sie im Bereich der Jagdmagie zu verorten, die mit dem Begriff „Herr der Tiere“ umschrieben ist. Diese Interpretation wird auch während der Führung in Lascaux angesprochen. Eine Interpretation im Rahmen des religiösen Komplexes des Schamanismus ist für die Gästeführerin jedoch plausibler. Und in diese Richtung hatte ich damals in meiner Abschlußprüfung argumentiert. Der Schamane mit seiner Vogelmaske und der Abbildung seines Krafttieres auf der gebrochenen Speerschleuder ist in Trance. Er befindet sich zwischen den Welten von Leben und Tod (erigierter Penis!). Damals wußte ich nicht, daß die Malerei im ca. 2,5 Meter langen „Schacht“ angebracht wurde, einen schwer zugänglichen Bereich im hinteren Teil der Höhle und das man sich aufgrund des Sauerstoffmangels dort nur für maximal zehn Minuten aufhalten kann. Diese Tatsache ist natürlich sehr aufschlußreich, handelt es sich doch somit nicht nur symbolisch um einen Ort zwischen Leben und Tod. Der Aufenthalt dort war für die Menschen ein gefährliches Unterfangen, und nur durch Abseilen möglich. Nimmt man all diese Aspekte zusammen, so liegt es nahe, der Malerei eine religiöse Konnotation zuzuschreiben. Ob nun schamanistische Vorstellungen in Stein gebannt wurden, oder ob die Darstellung mit dem Komplex von Übergangsriten in Verbindung steht, werden wir 20000 Jahre später nicht mit Sicherheit beantworten können. Die Konzepte zur Interpretation der Höhlenmalerei stehen allerdings zu unserer Verfügung.