Über die Gewichtung von Werten…

1. Straßenhunde

In der Nähe hören wir Hundegebell. Es ist kein einzelner Hund der sich die Seele aus dem Leib bellt, es ist eine ganze Meute. Es ist also wieder mal ein sogenanntes „Shelter“ in der Nähe. Mit Schutz für die Hunde hat das hier allerdings nichts zu tun. Hier in Agrigento werden die frei laufenden Hunde entweder vergiftet, oder so lange in eine Unterbringung gesteckt bis sie krepieren. Augen zu und durch. Die italienischen Straßenhunde die wir bisher gesehen haben, sind im Vergleich zu kanarischen etwa nicht unterernährt und einem aggressiven Kandidaten sind wir noch nicht begegnet. Und wie bei uns vor dreißig Jahren, lassen viele Einheimische ihre Hunde frei laufen. Die auffälligen Halsbänder weisen auf einen Besitzer hin.

Er sucht die Nähe.
Er ist kleiner als eine Katze, aber der „Wachhund“ mag norwegischen Käse 🙂

2. Straßenverhältnisse und Fahrverhalten

Auf dem Festland wurden wir von verschiedenen Leuten gewarnt. Sie meinten wir sollten nicht nach Sizilien fahren, da hier die Hundesituation, der Müll und die Straßenverhältnisse extrem seien. Bisher können wir das nicht bestätigen. Und vermutlich liegt ein „Schnüdel“ den wir in Brucoli getroffen haben mit seiner Einschätzung richtig. Er versicherte uns, daß sich in den letzten Jahren auf der Insel einiges zum Positiven verändert hat. Seine Erfahrung können wir in gewisser Hinsicht teilen. Die Straßen sind weder schlechter als auf dem Festland (Kalabrien war eine Katastrophe), sondern bei weitem besser. Sicher es gibt hier extreme Abschnitte vor allem abseits der Hauptstrecken, aber im Großen und Ganzen fahren wir „mit unserer Prinzessin auf der Erbse“, bis jetzt zumindest schüttelfreier als auf dem Festland. Wenn mir nochmal einer was von den schlechten Straßen in Deutschland erzählen will, mutiere ich zu einem teutonischen Hobschores.

Es müsste der Auspuff gewesen sein, nicht der Abwassertank, der hier hängen geblieben ist….
So sehen manche Provinzstraßen aus.

Der italienische Fahrstil dagegen ist immer noch gewöhnungsbedürftig. In einer 50er Zone fahren wir 80 km/h und werden überholt, auch von Leuten, die 200 Meter später in ihre Hofeinfahrt abbiegen. Man hat den Eindruck, sie können einfach nicht hinterher fahren. An einer Straßenbaustelle steht die provisorische Ampel auf Rot, seit zehn Sekunden mindestens. Wir halten natürlich an. Der LKW hinter uns schießt an uns vorbei, mit drei PKW im Windschatten. Wir stellen uns vor was passiert, wenn von der anderen Seite noch ein Fahrzeug kommen würde. Dieses Fahrverhalten an Baustellenampeln wird so auch in unserem Reiseführer beschrieben. Very strange, isn’t it. Als die Ampel auf Grün springt, fahren wir etwas zögerlich, mit mulmigem Gefühl durch die unübersichtliche Baustelle. Man kann nie wissen, ob von der anderen Seite auch so Lebensmüde durchrauschen .

3. Müllsituation

Es gibt Regionen auf der Insel in denen man weder Müll am Straßenrand, noch eine der unansehnlichen wilden Mülldeponien mitten in der Pampa sieht. Wie es scheint ist die Müllentsorgung eine kommunale Angelegenheit, die manche Kommunen stemmen können. Fährt man fünfzig Kilometer weiter kann die Situation schon ganz anders aussehen. Kilometerlang liegt an beiden Straßenrändern der Müll. Matratzen, Fernseher, Kloschüsseln, Plastikflaschen und unzählige zugebundene Müllbeutel. In den Nebenstraßen sieht man wilde Deponien in Form von riesigen Müllbergen, die von Zeit zu Zeit in Rauch aufgehen und dann ihren beißenden Qualm über die Landschaft wehen. Kein schöner Anblick. Jedes mal fragen wir uns, wie man so eine wunderbare Landschaft dermaßen verdrecken kann. An den vermüllten Halteplätzen der Straßen hat es manchmal den Anschein, als ob ein Mülllaster dort seine Ladeklappe geöffnet und den Abfall gezielt dort abgeladen hat. An anderen Stellen stehen Mülltonnen für Glas, Papier, und biologischen Müll.

Mülleimer stehen überall herum, sogar mehr als in deutschen Städten.

Entweder sind die Tonnen halb leer, wild durcheinander gewürfelt, oder der Abfall wird gleich vor die Tonnen hingeschmissen. Grotesk wird es wenn sich ein, aus EU-Geldern mitfinanziertes Projekt, eine plastikfreie Natur imaginiert, sich unter der dazugehörigen Informationstafel der Müll stapelt, während die dahinter stehenden Tonnen wieder einmal halb leer sind.

Idyllisch liegt er schon, der Lago Dirillo.
So sieht eine Zone frei von Plastik hier aus.

Der Vandalismus ist ebenfalls auffällig. Wir sehen viele Gebäude mit eingeschlagenen Scheiben und demolierten Inneneinrichtungen. Wir fahren von der Straße ab zum Lago Dirillo, um dort zu frühstücken. Ein ruhiges Plätzchen, ohne Autohupen, Rollerlärm und das ständige, nicht enden wollende „Wäberdi, Wäberdi“ der Einheimischen. Nebenan steht ein relativ neues Gebäude mit Toiletten. Die Fensterscheiben wurden allerdings eingeschlagen, die Infotafel auf der Rückseite des Gebäudes malträtiert und die sanitären Einrichtungen zertrümmert. Wir fragen uns, ob ein italienischer Rambo mit seiner M16 an diesem Ort auf den hiesigen Vietcong traf und die Inneneinrichtung deshalb in Schutt und Asche geballert hat.

Neues Gebäude mit Macken.
Vielleicht mögen sie nur keine Sitzschüsseln.

Denken wir an die Situation bei uns zuhause, oder an Skandinavien und die Schweiz, könnte der Gegensatz zur italienischen Müllkultur nicht größer sein. Auch wenn in diesen Ländern nicht alles eitel Sonnenschein ist, das ökologische Bewußtsein dort ist definitiv ein anderes.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert