Touristische Sehenswürdigkeiten oder das wirkliche Leben

Sizilien macht es uns nicht leicht, unsere kulturelle Ader zu befriedigen. Seit wir auf der Insel sind, haben wir bisher viele touristische Sehenswürdigkeiten elegant umfahren. Nicht weil wir nicht gewillt waren sie anzuschauen, sondern vielmehr aus ganz banalen Gründen. Wir sind nicht bis zu ihnen vorgedrungen. Das soll uns mal einer in der Nicht-Saison nachmachen. Die Navigation nach Karte und Wegweisern ist hier fast unmöglich. Es stehen zwar Schilder zur nächsten Ortschaft, doch bei der übernächsten Abzweigung fehlen sie plötzlich. Unsere „Uschi“dagegen (so nennen wir unser Navigationsgerät) führt uns auf Straßen die so eng sind, daß ein 500er Fiat mit den Kurven zu kämpfen hat und vorzugsweise natürlich auf dem kürzesten Weg mitten durch die Ortschaften. Wer hier nicht die Maße seines Autos kennt, hat ein gehöriges Problem.

Manchmal wird es eng….

Die Geschwindigkeitsangaben der „Uschi“ stimmen trotz aktueller Software in diesem Land nicht. Sagt sie wir sollen 50 km/h fahren, lächelt uns ein 90km/h-Schild am Straßenrand an. Schlägt sie uns 70km/h vor, sehen wir ein krumm gebogenes Schild mit der Aufschrift 30km/h. Seit wir hier sind achten wir nicht mehr auf Geschwindigkeitsschilder, eigentlich ignorieren wir alle Schilder. Steht eine Warntafel an der Seite, die vor Kontrollen warnt, verlangsamen wir unsere Fahrt. Wir schwimmen einfach mit, beobachten die anderen und passen uns dem Verkehr an. An vielen Straßen stehen Sperrschilder. Entweder wird dort gebaut, oder eine Straße wurde durch Unterspülung unbefahrbar. Eine Umleitung sucht man vergebens. Unser Navi will uns zu allem Überfluß immer wieder auf die selbe Strecke zurückführen und das nach einem Wendemanöver von ca. 100 km. Schon einige Male haben wir entnervt aufgegeben und das im Reiseführer angepriesene Highlight, wie die Nekropole von Pantalica, einfach links liegen gelassen. Wir trösten uns dann mit dem Angebot an der Fischtheke im Hafen, dem Angebot auf den Märkten und diversen Espressi an den Tankstellen. Für uns im Moment die wichtigsten Orte. An diesen Plätzen geht es ziemlich unaufgeregt zu. Und wie wir von einem „Agenten“ des Gemüsehändlers in Brucoli erfahren haben, ist Essen absolut wichtig, womit der Typ wohl recht hat.

Gegrillte Zwiebel und Aubergine vom Gemüsehändler. Da wird eine leckere Caponata daraus.
Fischhändler in Brucoli.
Der Hl. Nikolaus am Strand (der rechts auf dem Baumstumpf 🙂
Leckeres Arancino. Eine sizilianische Spezialität. Diese Form bekommt man in Ragusa serviert.
„Essen ist wichtig“, sagte der „Bellavista“ aus Brucoli.
Aus der Aubergine haben wir letzten Endes keine Caponata gekocht, sondern einen sizilianischen Pastaklassiker: Pasta con le melanzane.

Das Wetter und das gute Essen. Mehr braucht es nicht, wenn uns die vom Reiseführer angepriesenen Highlights versagt bleiben. Teilweise sind wir natürlich selbst Schuld. In Siracusa standen wir vor dem Antiken Theater. Hinein gegangen sind wir nicht. Die Anschlagtafel mit den Preisen, Ermäßigungen und Ausnahmen war so kompliziert, daß uns die Lust vergangen ist. Die Preisliste erinnert stark an die übergroßen Aushänge der Saisontarife von Campingplätzen. Die römische Zeit liegt zwar schon ein Weilchen in der Vergangenheit, der bürokratische Wahnwitz würde aber heute noch einen Gallier wie Obelix die Zornesröte ins Gesicht steigen lassen. Dazu kommt noch, daß uns ein „Vizehausmeister“ beim Einparken geholfen hat. Einer von der Sorte, die Luciano De Crescenzo in seinem Roman „Also sprach Bellavista“ beschreibt. Leute die keine reguläre Arbeit haben, aber sich welche verschaffen. Es gibt da die Geschichte vom Hausmeister, der seine Arbeit an einen „Vizehausmeister“ abgibt, der wiederum bekommt im Gegenzug eine Wohnung zugeschustert. Arbeitsbeschaffung auf italienisch. Bei 20% Arbeitslosigkeit muß man eben erfinderisch sein. So ein „Vize“, ein junger Kerl, Muckis, durchtrainiert und tätowiert, läuft auf unser Auto zu, als wir gerade einparken. Wir lassen die Scheibe herunter. Er sagt: „Drei Euro“. Ich frage: „Wofür“? Er wiederholt den Preis und ich frage immer wieder nach für was wir drei Euro bezahlen sollen, bis Karin sagt, ich solle dem Kerl doch endlich die 3 € geben. Er grinst, reicht uns eine Karte durchs Fenster, die aussieht wie ein Rubbellos bei dem alle Felder bereits frei gerubbelt wurden. „In die Scheibe legen“, sagt er noch und schon trillert er auf seiner Pfeife, um die nächsten einzuweisen. Ein paar Autos vor uns geht ein Italiener zum Parkscheinautomat, zieht ein Ticket und legt es in die Windschutzscheibe. Dem „Vize“ gefällt das nicht, er spricht ihn an. Es folgt eine lautstarke Unterhaltung, dazu wird wild gestikuliert. Aus der Entfernung sieht es aus, als würde der Italiener im nächsten Schritt zur Waffe greifen, oder den „Vize“ eigenhändig erwürgen. Dieses Schauspiel dauert vielleicht drei Minuten. Plötzlich endet es so schnell, wie es begonnen hat. Beide Kampfhähne gehen ihrer Wege, die Situation ist geklärt. Was für eine Dramatik und Pathos denken wir und machen uns auf zum Eingang, an dem wir allerdings wieder kehrt machen, nachdem wir die Preistafel studiert haben. Ich denke in dem Moment an eine chinesische Speisekarte. Wir gehen zum Auto zurück und der „Vize“ grinst uns an, kommt auf uns zu und ist plötzlich des Englischen mächtig. Seinen „Parkschein“ möchte er wieder haben. Ich gebe ihm das abgewetzte Rubbellos und starte den Motor. Natürlich ist der Polizei das Treiben solcher Typen bekannt. Solange ihre Parkeinnahmen nicht überhand nehmen, wird denen auch nichts passieren. Und wir können uns sicher sein, daß unsere Windschutzscheibe noch ganz ist und wir keinen offiziellen Strafzettel bekommen, solange wir dem „Vize“ seine Gebühr entrichten. Eine Hand wäscht hier die andere. Der Lateiner spricht von Do ut des, was abgesehen vom sakralen „Gschmäckle“ auf das gleiche hinausläuft :-))

Die Altstadt von Ragusa.
Menschenleere Gassen um diese Jahreszeit.

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