Wir sind spät dran, deswegen nehmen wir, entgegen der Gewohnheit unserem Reiseverhalten die Benutzung der Autobahnen auszutreiben, den Frankenschnellweg Richtung Nürnberg. Bei Langwasser fahren wir ins landschaftlich unaufgeregte Nürnberger Land, trinken in einem Restaurant an einem Baggersee einen Pott Kaffee und machen uns dann auf in die Oberpfalz. In Neunburg vorm Wald stellen wir uns vor das örtliche Freibad. Hier gibt es eine Entsorgung, Strom und Frischwasser. Nach dem Abendessen laufen wir in den Ort. Es geht über eine Brücke, die über die Schwarzach führt. Nach der Brücke geht es links in den Stadtpark, bestehend aus einem See den man umrunden kann, einem Kiosk mit Bewirtung und einem kleinen Skaterpark. Direkt am Eingang in den Park steht ein Möbelhaus, daneben gibt es eine kleine Passage in die Stadt, die an einer mächtigen mittelalterlichen Wehrmauer endet. Irgendwie kommt uns das bekannt vor. Der rote Stuhl im Schaufenster des Möbelhauses, das seit den 80er Jahren keine wesentliche Veränderung, weder in baulicher Form, noch im feilgebotenem Inventar erkennen läßt. Die schnatternden Enten im Stadtsee, das Kiosk und die Informationstafeln des Pendelgängerlehrpfades rufen in uns ein Gefühl der Vertrautheit hervor und wir täuschen uns nicht. Laut unserem Logbuch waren wir vor fast genau einem Jahr in Neunburg und liefen den gleichen Weg im Park. Um ein Haar hätten wir diesen chronologischen Zusammenhang nicht erkannt. Während unsere Sinne wie Zwerge nach dem Golde schürfen, verhält sich unsere Erinnerung wie eine ihre Spielchen treibende Hure.
Das Mühlviertel ist unspektakulär, zumindest für uns. Es erinnert landschaftlich an die Oberpfalz, oder an Niederbayern. Außerhalb von Ortschaften gibt es fast keine Parkmöglichkeiten. Jeder noch so kleine Weg führt zu einem Hof oder ist ein Privatweg. Wir entdecken Ähnlichkeiten zu Südnorwegen. Auch in dieser Region dominiert die Landwirtschaft und drückt der touristischen Infrastruktur ihren Stempel auf, der uns das Weite suchen läßt. Wer nicht rasten darf, fühlt sich nicht wohl und er fängt an zu glauben, er soll es auch nicht.
Nach St. Martin am Ybbsfelde verschlägt es uns zufällig. Dort gibt es laut App einen Stellplatz mit Wasserversorgung, Strom, und Entsorgung und das alles kostenlos. Als wir ankommen sind wir die einzigen am Platz. Unsere Vorstellung ging in eine andere Richtung, aber vielleicht sollten wir nicht von unseren Reiseverhalten auf das von anderen schließen. Gegenüber der Kirche und dem Gemeindeamt stehen wir auf einem Parkplatz, der in nächster Nähe zur Caritas, der örtlichen Sportstätte und dem Kindergarten gelegen ist. Eine Sitzgruppe finden wir ebenso vor, wie eine Möglichkeit unseren Müll zu entsorgen. Idyllischer geht es kaum, wenn man in der Lage ist, auf Flußufer und Badesee zu verzichten. Ein 1000-Seelen-Fleckchen tut es auch, vor allem wenn die Geschichte des Ortes Verknüpfungen eröffnet, die wir vorher in ihrer historischen Koinzidenz nicht erahnt hatten. Karl der Große schlägt im Ybbsfelde die Awaren und das Adelsgeschlecht der Babenberger hat ein paar Jahrhunderte später nicht nur in Franken politischen Einfluß. In Österreich stellen sie bis 1246 das Herrschergeschlecht, danach erst betreten die Habsburger die politische Bühne. In St. Martin befindet sich die älteste Oktavglocke der Welt, die wohl auf eine Stiftung der Babenberger um das Jahr 1200 zurück geht.
Die Wachau erinnert uns landschaftlich an die Moselregion. Weinberge auf der einen Seite von den Steillagen bis direkt an die Straße, während auf der anderen Seite die Donau mit schneller Strömung an uns vorbei fließt. Abends stehen wir bei einer Winzerfamilie im Kamptal des Waldviertels, die bei Bauernleben gelistet ist. Auf diesen Höfen darf man kostenlos übernachten, wenn man sich vorher die App, das Buch und die Mitgliedskarte für ca. 30 Euro besorgt hat. Wir bekommen sogar Strom, für den wir sehr dankbar sind, da unser Kühlschrank bei diesen Temperaturen an sein Limit kommt. Die Familie Eisenbock baut übrigens einen trinkbaren Grünen Veltliner aus, den sie auch nach Deutschland verschicken.
P.S. Die Überschrift ist keinesfalls despektierlich gemeint, sondern verweist lediglich darauf, daß Deutsche und Österreichischer die gleiche Sprache sprechen, jedoch Begriffe mit unterschiedlichen Bedeutungen verwenden, die auf eine andere sprachlich-soziale Kultur hinweisen: „In Deutschland stehen weder auf dem Land, noch in den Städten Mistkübel. In Österreich stehen sie nicht nur am Land an öffentlichen Plätzen und Rastanlagen, sondern überall und vor allem zahlreicher als in Deutschland“. :-))