Lettland

Die drei baltischen Länder Estland, Lettland und Litauen sind nicht sehr groß. Wer nicht aufpasst, fährt schon mal unbeabsichtigt über die Grenze. Die im Gepäck befindlichen Reiseführer der Touristen tragen deshalb oft den zusammenfassenden Titel „Baltikum“. Und auch wir dachten nicht, daß die Unterschiede zwischen den Ländern so augenscheinlich sind. Ein Würzburger Ehepaar, das uns in Finnland begegnet ist, meinte die Esten wären den Finnen sehr ähnlich, während die Letten und Litauer eher wie die Deutschen ( der Mann sprach von Polen 🙂 wären. Gleich nach der Grenze fällt auf, daß die Bausubstanz in den Ortschaften älter ist als in Estland. Die Landschaft hat sich trotz geografischer Nähe geändert. Plötzlich sind die Nadelbäume weniger geworden und Laubbäume nehmen zu. An der Küste und in den Wäldern finden sich wie in Estland Grillstellen. Die Sandstrände sind kilometerlang und in den Morgenstunden oft menschenleer (Warum nach Mallorca fliegen, wenn es hier so tolle Strände gibt?) Auf den Märkten bekommt man ausgezeichnete Ware. Frischen Knoblauch direkt vom Acker. Mit dreckiger Schale wie selbst angebaut und innen saftig und aroamtisch. Die Petersiliensträuße sind riesig und das Kraut schmeckt in unseren diversen Soßen sehr intensiv. Auf dem Markt bieten sie Pfifferlinge an. Ein Kilo kostet dort 5 €. Die Leute sind freundlich (wenn sie nicht hinter dem Steuer sitzen). Im Supermarkt geben sie uns Empfehlungen für den Salamikauf, weil wir wieder mal unschlüssig von einer Marke zur anderen laufen. Die großen Straßen in Lettland haben oft einen neuen Belag (sponsored by E.U.), bei kleineren Straßen bzw. abseits der Schnellstraßen kommen Erinnerungen an die Fahrten nach Hildburghausen und Meiningen gleich nach der Grenzöffnung auf. Das Gerumpel und die zigmal geflickten Wege scheinen kein Ende zu nehmen. In Estland waren die permanenten Kameras an den Straßen verschwunden, die Autofahrer hatten trotzdem einen ähnlichen Fahrstil wie die Finnen. Verwandt sind beide übrigens durch die finno-ugrische Sprachfamilie. Wenn ein Schild 90 Km/h anzeigt, dann fährt man diese Geschwindigkeit auch, egal ob die Fahrbahn trocken oder naß ist. Bei 30 km/h hält man sich allerdings auch an das Schild. Ist ein deutscher Schleicher unterwegs, wird er eben überholt. Langsam gewinnen wir den Eindruck, dass die Fahrweise immer unzivilisierter wird, je weiter wir Richtung Südwesten fahren. Die Höchstgeschwindigkeiten in den Ländern haben sich seit Norwegen stetig erhöht und der Fahrstil wird ebenfalls aggressiver. Geschwindigkeitsschilder haben in Lettland anscheinend nur Richtcharakteristik. Erstaunlich, daß nach der Grenze sofort ein anderer Fahrstil vorherrscht. Die LKWs fahren häufig weit rechts auf dem schmalen Seitenstreifen und das nicht ohne Grund. Von hinten schießen Autos heran, die auf einmal 5-6 andere Wagen überholen und dabei diverse Sperrstreifen und Abzweigmarkierungen ignorieren, um dann einen LKW oder einen Pkw gleichzeitig zweireihig (!) zu überholen. So etwas haben wir bisher auch noch nicht gesehen. Andere Länder, andere Fahrsitten… Von rechts fuhr mir einer aus einer Ausfahrt kommend fast in die Seite, vermutlich weil er in lettischer Manier dachte, meine Gegenfahrbahn sei ja frei und ich wechsle dorthin um ihn ausfahren zu lassen. Aber mein Hirn denkt eben deutsch und so schnell kann und will ich mich nicht umpolen. Wie wir von Anderen erfahren haben, ist der Fahrstil in Polen anscheinend noch rauer als hier. Auf der Straße geht es uns einfach zu aggressiv zu, weshalb wir den Entschluß gefasst haben, ein zivilisierteres Land anzusteuern, zumindest was den Straßenverkehr anbelangt. Es geht von Ventspils aus mit der Fähre nach Nynäshamn, also in acht Stunden einmal quer über die Ostsee, zurück nach Schweden. Wir übernachten am Fährhafen. In der Nähe findet eine Art Straßenfest statt. Jung und Alt sind auf den Beinen. Mehrere Stände bieten Kulinarisches und Selbstgemachtes an. Die örtliche Craft Beer Brauerei ist gut besucht und nach zwei Bier ist Karin fast soweit, daß sie auf die Tanzfläche geht, um zu lettischer Unterhaltungsmusik zu tanzen. Die Band ist wirklich gut. Der Sound ist druckvoll und die Töne stimmen. Der Typ am Kontrabass muß eine dicke Hornhautschicht an den Fingern haben 🙂

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