Wir fahren durch die Mitte Frankreichs, von Ost nach West. Kühe begleiten uns seit Tagen. Erst dominieren weiße Rassen, bis sie je weiter westlich wir kommen, von braunen abgelöst werden. Auf unserer gewählten Route haben wir den Eindruck, dieses Land besteht nur aus Rindern und Landwirtschaft. Frankreich ist ein weites Land und da wir aufgrund der Preise auf Autobahnen verzichten, kommen wir nur langsam voran. Doch wir haben Zeit. Die National- und Provinzstraßen sind für eine Annäherung an das Land sicher hilfreicher, als das stupide „Strecke machen“ auf den Autobahnen. Auffällig sind die vielen Alleen, die nicht nur an den Straßen stehen, sondern sogar auf den Äckern der Bauern zu sehen sind. Der französische Landwirt ackert einfach zwischen den Bäumen hindurch, statt sie heraus zu reißen. Um die Äcker steht das „Unkraut“ in Form von Farnen, Hecken und allerlei Gestrüpp. Was für ein Kontrast zu den Äckern bei uns vor der Haustür mit ihrer antiseptischen Anmutung. Die Baguettes sind köstlich, doch muß man zum Bäcker im Ort mit der schmuddeligen Fassade. Die Supermarktvariationen bzw. die Boulangerien, die im modernen Architektureinheitsbrei ihr Backwerk anbieten, bewegen sich auf ähnlichem Niveau wie bei uns zuhause. Escargots, Pasteten, Terrinen und Rillettes gibt es hier nicht nur reichlich, sondern auch in guter Qualität. All diese Dinge vermissen wir in deutschen Supermärkten. Dort findet man Genuß immer seltener. Stattdessen herrscht bei uns das Credo des „Light“ mit seinen Camemberts, Limburgern und Harzer Rollern die nicht mehr stinken und fließen. Der französische Weichkäse duftet nun schon seit zwei Tagen in unserem Kühlschrank, hat bereits eine leicht braune Rinde und wird im Geschmack immer besser. Frankreich hat uns wieder.
Für unsere Reise durch Norwegen und Finnland hatten wir die entsprechenden Ausgaben der „Gebrauchsanweisungen“ aus dem Piper Verlag dabei. Dabei handelt es sich um sehr brauchbare kleine Reiseführer, die den Leser auf kurzweilige Art in die Eigenheiten des jeweiligen Landes bzw. der Region einführen. Den Band Gebrauchsanweisung für Bordeaux und die Atlantikküste von Alexander Oetker empfehlen wir dagegen nur, wenn sich der Leser insbesondere für die Kulinarik des Landstriches interessiert. Uns fehlt in diesem Buch ein wenig der geschichtliche Hintergrund bzw. die augenzwinkernde Distanz zum Thema. Wir folgen einem Vorschlag des Autors und fahren nach Lit-et-Mixe. Dort soll es im Restaurant LÈstonquet regionale Küche vom Feinsten geben. Die Bedienungen tragen Alltagskleidung, das Klientel besteht auf dem ersten Blick aus Gästen des Umlandes. Auf der Tageskarte steht sie ganz oben, die Foie gras. Sie auf der Speisekarte eines deutschen Restaurants zu finden ist nicht so einfach. Die Herstellung ist dort verboten, der Verkauf jedoch erlaubt. Im Südwesten Frankreichs ist sie so gängig, wie der Weiße Pressack für den Franken. Vom Feinkostgeschäft bis zum Supermarkt, sie ist in dieser Region einfach allgegenwärtig. Mag sein, daß es sich bei der Stopfleber um einen besonderen Genuß handelt (sie zergeht auf der Zunge), die den Franzosen eine Einordnung als „gastronomisches Kulturerbe“ wert ist. Sicher, wer Tiere verspeist, muß mit deren Mast leben, jedoch sind die letzten zwei Wochen für die Tiere die reinste Hölle. Sie werden „genudelt“, bis die Leber des Tieres so verfettet ist, daß das Tier durch die Schlachtung nur noch erlöst werden kann.
In der Nähe von Lit-et-Mixe befindet sich der Strand Cap de L’Homy, der vor allem bei Surfern beliebt ist. Natürlich gibt es hier auch einen Campingplatz, auf dem man unter Pinien in der Nähe des Strandes steht. An der Rezeption findet bereits um diese Jahreszeit eine Massenabfertigung an zwei Schaltern gleichzeitig statt. Nach einer kurzen Diskussion machen wir kehrt und verlassen diesen Ort fluchtartig. Unter Pinien zu stehen halten wir nicht für den Inbegriff von Romantik und die „Lifstylecamper“ mit ihren Yogamatten und Selbsterkenntnisgesichtern gehen uns mittlerweile auf den Sack. Strände, Seen und Flüße, die heilige Dreifaltigkeit unseres Fluchtreflexes. In diesem Limbus (Vorhölle) wollen wir nicht verweilen. Wir stürzen zurück ins Zentrum. Einige Kilometer landeinwärts stehen wir auf einem ruhigen kommunalen Stellplatz. Mitten unter Franzosen, die ganz gemächlich ihr Boule-Spiel zelebrieren. Hier fühlen wir uns wohler.