Durch Brandenburg in den Spreewald, weiter in die Lausitz und das Erzgebirge, dann in das Vogtland und in das Fichtelgebirge und schließlich vor die eigene Haustür zu fahren, hat schon seinen Reiz. Nach all den Wochen wird einem auch klar, daß Geschichte auch anders laufen kann. Während in Norwegen das Königshaus importiert wurde und ohne angehängten Adel regiert, begegnen einem bei uns die Geschichten um Schlachten der Adelgeschlechter (vielmehr der tributpflichtigen Bauern) an allen Orten. In Norwegen gab es keinen Adel. Der Bauer war dort nie Leibeigener. Demzufolge sucht man Schlösser und Burgen dort vergebens, außer als Wehrburgen in der Grenzregion. Keine Rede von Guttis und sonstigen Adeligen. In der Region um Narvik findet man dagegen Schilder zur jüngeren Geschichte. Die Schlacht um Narvik ist immer noch in Erinnerung. Davon wußten wir bisher nichts. Über die Existenz des größenwahnsinnigen Schiffes „Tirpitz“ habe wir in seiner Bedeutung erst dort erfahren. Was hat „das größte Reisebüro der Welt“, die Wehrmacht eigentlich dort verloren gehabt? Zurück in Deutschland stellen Schlachtplätze wohl ein touristisches Highlight dar. In der Schlacht von Gransee hat der Mecklenburger gegen den Brandenburger und der Wittelsbacher hat auch noch … insgesamt 7000 Mann die sich für irgendeinen Quatsch auf die Schädel gehaut haben.
Das Schild hat natürlich eine Öffnung, so daß die Schlacht für die Instagram-Jünger perfekt in Szene gesetzt wird. So geht Tourismus heute! Der letzte Depp versteht es, ein Bild oder Selfie an dieser Stelle aufzunehmen.
Im Erzgebirge waren wir in den letzten Jahren schon öfter. Die Region ist wirklich schön, jedoch auch relativ kühl von den Temperaturen. Die Natur ist beeindruckend, allerdings wirken die Wälder sehr düster. Gerade richtig für eine Figur wie den Räuber Hotzenplotz von Otfried Preußler. Auf einer Anhöhe bei Annaberg-Buchholz übernachten wir. In der Nähe steht ein Burgfried, den ein reicher Fabrikant in der Zeit der Burgenromantik aufbauen ließ. Von seiner Zinne aus hat man einen umfassenden, meinetwegen auch romantischen Blick, auf die Stadt.
In Morgenröthe-Rautenkranz erwartet uns ein Highlight der etwas anderen Art. In einem Kaff mit 800 Einwohnern steht ein modernes Gebäude in quatratisch praktischer Manier. Daneben eine Stele und in der Nähe ein Kampfjet aus sowjetischer Produktion auf einem Potest. Während Karin ungläubig stutzt, war mir sofort klar, um was es sich hier handeln muß. Um eine jüngere Mythologisierung eines geschichtlichen Ereignisses. Und da kommt bei dem ganzen Zirkus nur einer infrage, der im Westen Deutschlands auch heute noch ziemlich unbekannt geblieben ist: Sigmund Jähn, der erste Deutsche, der ins All flog. Lange vor der Zeit der medialen Inszenierung um Astronauten wie Alexander Gerst, hat sich ein Ostdeutscher unter sowjetischer Ägide auf den Weg gemacht, das Weltall zu erkunden. Die Ossis kennen ihn, dem Wessi muß er heute noch in Erinnerung gerufen werden. Er wurde hier in der kleinen Gemeinde im Vogtland geboren.
Ja, zum Abschluß kommen wir wieder zu den Bäumen. Begonnen haben wir unsere Reise mit einem Zitat des Knetzgauer Bürgermeisters Stefan Palus: „Die Birke ist kein fränkischer Baum und sie muß weg. Für jeden Biologen ist sie ein Gräuel. Sie ist ein nordischer Baum“ Mit solchen Aussagen im Gepäck reisten wir in den Norden Europas. Die Entgültigkeit und Vehemenz der Aussage eines fränkischen Bürgermeisterleins hat uns tausende von Kilometern begleitet. Ja, die Birke ist ein nordischer Baum. Sieht steht dort nicht nur vereinzelt, sondern gruppiert sich dort zu Waldlandschaften. Bis in den hohen Norden kommt sie vor. Ganz oben findet man sie allerdings nicht mehr. In Deutschland hat sie uns auf den Landstraßen im Osten bis an die Grenze Bayerns begleitet. Nicht nur vereinzelt stehend, sondern in Alleenform, fast durchgängig von Nord nach Süd. In Bayern ändert sich die Landschaft. Die Alleen sind veschwunden. Birken stehen nur selten. In gewisser Hinsicht hat der Knetzgauer Recht. Die Birke ist kein fränkischer Baum, oder sollte man vielmehr sagen nicht mehr! Und Alleen gelten wohl als Sicherheitsrisiko für den Verkehr. „Des Gelump muß wach. Es mecht an Drag.“ So höre ich die Verantwortlichen und ihre Schergen in meinem Ohr. Nur warum funktioniert das Ganze wenige Kilometer entfernt in benachbarten Bundesländern? Es hat schon seinen Grund warum der NABU-Deutschland unsere Region als Paradebeispiel für einen versauten ländlichen Umweltschutz anführt. Punkt. Aus.
P.S. Zum Bild der „Deutschen Eiche“ gibt es natürlich auch noch eine Geschichte. In Ystad (Schweden) hat sich ein älterer Herr beim Frühstück zu uns gesetzt. Wir hatten ein nettes Gespräch. Es handelte sich um einen Deutschen, der vor vielen Jahren nach Schweden auswanderte um dort zu arbeiten und seine Frau zu heiraten. Auf die „Birkenproblematik“ in unserer Heimatgemeinde angesprochen, antwortete er: „Was wollen die dann dort pflanzen? Wahrscheinlich die deutsche Eiche.“ Sein abschätziger Blick sprach Bände. Wir konnten nur schweigend zustimmen.