Ob es in den Abruzzen das beste italienische Olivenöl gibt, können wir noch nicht beurteilen. Im Moment sind die Bauern noch bei der Ernte. Hie und da kommt uns ein Lkw voll beladen mit den ölhaltigen Früchten entgegen. Die Abruzzen sind in der Vergangenheit immer wieder von Erdbeben heimgesucht worden. An der Straße steht ein Wegweiser nach Amatrice, das 2016/2017 von mehreren Beben komplett zerstört wurde. Schließlich landen wir in L‘Aquila, der Hauptstadt der Abruzzen, in der es 2009 ein verheerendes Erdbeben gab, von dem sich die Stadt bis heute nicht erholt hat. Überall stehen Baukräne, Betonmischer und das nervtötende Kreischen der Winkelschleifer die Steine zerteilen ist nicht zu überhören. Der Staub zermahlenen Steins liegt in der Luft. Die Sicht in die, mit unzähligen Metallstangen abgestützten Innenräume der Altbauten spricht für sich. Nach 10 Jahren ist hier nicht viel passiert. Die Gelder aus Rom versickerten in dubiose Kanäle, natürlich unter Mithilfe örtlicher Politiker. Ehrenwerte Leute und eine Gesellschaft, die mit dem italienischen Stadt untrennbar verflochten scheint, hatten wieder einmal ihre Hände im Spiel. Viele neue Häuser stehen zwischen dem Chaos, das sicherlich noch lange das Bild der Innenstadt bestimmt. Wir wollen in den Gran Sasso Nationalpark. Im Moment liegt dort noch kein Schnee. Die Abruzzen gelten mit ihren über 20 Skiorten als schneesicherer als die italienischen Alpen. Der höchste Berg in den Abruzzen, der Corno Grande, hat eine Höhe von 2912m. Die fehlerhafte Temperaturanzeige von „Herbie“ bereitet uns Sorgen, da einige Pässe vor uns liegen und wir im Moment nicht wissen, ob der Lüfter des Kühlers überhaupt läuft.
Wir entschließen uns in L’Aquila eine Werkstatt aufzusuchen. Im Internet finden wir eine offizielle Citroen-Werkstatt, die gute Bewertungen bei Google hat. Eine kleine Klitsche käme uns genauso gelegen. Irgendeinen Anhaltspunkt brauchen wir aber. Als digitale Kinder verlassen wir uns eben auf das Internet. Um 10 Uhr früh gehen wir ins Büro der Werkstatt. Einem jüngeren Typ erkläre ich unser Problem in einer Mischung aus italienischem Säuglingssprech und englischen Schlagwörtern. Dabei fange ich an wie ein Italiener mit den Händen zu wedeln. Der Kerl geht wortlos in die Werkstatt und kommt mit einem älteren Kollegen zurück, der erst seine Mama verabschiedet, indem er ihr links und rechts auf die Wange küsst. Die Beiden reden auf italienisch und nur die Tatsache, daß sie vor unserem Auto stehen, wiegt uns in der Sicherheit, sie würden sich schon um unser Problem kümmern. Der Ältere nimmt den Wagenschlüssel und fährt „Herbie“ auf das Gelände und sofort in die Werkstatt, in der bereits einige Autos stehen. Der Jüngere durchkämmt den Motorraum nach eventuellen Problemen, die Zigarillo glutlos im Mundwinkel. Der Ältere schließt sofort den Diagnosecomputer an und treibt unser Auto auf Temperatur, indem er das Gaspedal durchtritt. Als der Jüngere unseren gequälten Gesichtsausdruck bemerkt, führt er uns in den Ausstellungsraum, wo wir uns zwischen Wasserspender, Kaffeeautomat und Ausstellungswagen auf einer Ledersitzgruppe niederlassen. Ein Bücherregal steht in der Ecke, voll mit Bildbänden über Motorräder der Marke Ducati. Nebenan, hinter einem Glasfenster, sitzt eine gelangweilte Bürokraft, die häufiger auf ihr Smartphone starrt, als auf den PC vor sich. Nebenan hören wir unseren Wagen, die beiden Kerle treiben ihn heiß. Nach einiger Zeit kommt der Zigarillotyp, winkt uns mitzukommen. Der Ältere erklärt mir am Computer die Zahlen, zeigt mir die Temperatur des Motors am Display und der Jüngere zielt mit der Zigarillo auf den Lüfter, der tatsächlich läuft. Die Anzeige funktioniert nicht, aber der Lüfter läuft. Eine gute Nachricht. Wir sind uns fast wortlos, aber gestikulierend einig, daß die Anzeige überbewertet wird, da ja sonst alles funktioniert. Nachdem das geklärt ist, erwähne ich noch unser „problema piccolo“, die defekte Kennzeichenbeleuchtung. Der Ältere geht, holt einen Schraubendreher und versucht die Fassung auszuhebeln. Das Teil ist störrisch. Mit einem Plastikspatel klingt er schließlich die Fassung aus. Nun wissen wir wie es geht. Die Lampeneinheit ist nur gesteckt. Rohe Gewalt reicht zur Demontage 🙂 Er holt eine neue Birne aus dem Schrank, setzt sie ein und das Ganze funktioniert wieder. Zum Schluß fährt er unseren „Herbie“ auf die „Pole-Position“, wie er sich ausdrückt, also vor das Werksgelände. Er steigt aus, der Wagen läuft. Ich gehe zu ihm und sage auf italienisch, daß ich bezahlen möchte. Er sieht mich an, sagt „No“. Ich bestehe darauf, aber er weigert sich hartnäckig. Leider habe ich nur 10 Euro in bar im Geldbeutel. Widerstrebend nimmt er sie. Er wünscht uns eine gute Reise und verschwindet wieder in der Werkstatt. Als wir im Auto sitzen sind wir sprachlos. Sofort malen wir uns aus, wie es bei uns zuhause laufen würde. Da kommt ein Italiener in die Vertragswerkstatt zu Gelder-Sorg-und-Co, spricht ein paar Brocken deutsch und…. Kann sich ja jeder selbst ausmalen wie diese fiktive Geschichte ihren Lauf nehmen würde. Ich nehme an nicht so. Eine Stunde Fehlersuche in der Werkstatt und zusätzlich wurde die Birne der Kennzeichenbeleuchtung kostenlos repariert. Ein paar kostbare Euros kann man da schon lassen. Und ich bin der festen Überzeugung, daß sich ein durchreisender Ausländer bei uns ganz weit hinten anstellen muß, wenn er ein Problem hat wie wir es hatten. 1:0 für die Menschlichkeit in Italien.