„Ohridsee? Ihr habt doch den Bodensee…“

Arvi aus Kruja nimmt uns in seinem Wagen mit ins Restaurant. Es gehört ihm, genauso wie der Campingplatz auf dem wir heute Nacht stehen. Seine helfenden Hände sind Guido und Sandra aus Berlin, die im April hier gestrandet sind und ihm beim Aufbau des Platzes unterstützen. Arvis Familie flüchtete bereits in der Zeit des Kommunismus in die Schweiz. Er wuchs dort auf und besuchte eine Waldorfschule. Nach einem köstlichen Essen in seinem Lokal setzt er sich zu uns und wir unterhalten uns über Politik. Deutschland, Europa und die Zukunft Albaniens sind Themen, die wir anreisen. Bei der Frage des Beitritts Albaniens in die EU sind wir einer Meinung. Er wird das Land nachhaltig verändern. Nicht zum Besseren. Die Straßen werden wohl weiter ausgebaut werden, aber für einen Großteil der Menschen wird sich nichts ändern. Die sozialen Gegensätze sind jetzt schon extrem und nach dem Beitritt Albaniens wird die gleiche „kriminelle“ Elite die heute die Drogengeschäfte kontrolliert, die Gelder aus Brüssel abschöpfen. Durch den zu erwartenden „Geiz-ist-geil-Tourismus“ wird das Herz der Albaner auf der Strecke bleiben. O-Ton Arvi: „Seit froh, daß ihr jetzt hier seit, so habt ihr Albanien noch mal vor dieser großen Veränderung gesehen“.

Stellplatz in Kruja.
Erst wird die Kloschüssel fixiert, dann…
… gibt es lecker Essen in Arvis Restaurant.
Das gegrillte Gemüse hatte noch Biss und das Fleisch war butterzart.

Pogradec liegt am Ohridsee und ist eine Stadt mit ca. 21.000 Einwohnern. Die Stadt wirkt aufgeräumt und herausgeputzt. In Verbindung mit der Lage am See, könnte man meinen, in einer Stadt am Gardasee zu sein. Der See selbst ist relativ klein und liegt zum größten Teil auf nordmazedonischem Territorium. Die berechtigte Frage von Arvi: „Was wollt ihr an diesem See? Ihr habt doch den Bodensee“, ergibt für uns erst einen Sinn, nachdem wir ihn selbst gesehen und das einheimische Touristentreiben erlebt haben. Arvis Frage war zumindest berechtigt. Wir fahren nach Korca und bummeln durch die Stadt. Gemüsestände überall. Wir schlagen zu und kommen mit mehreren Tüten Salat und Gemüse so günstig davon, daß wir zwischen Wundern und Schämen hin und hergerissen sind. Wir kaufen zwei Forellen, die vor unseren Augen ausgenommen werden, sie sind also frisch, der Preis von 400 Lek angemessen. Die Händlerin hätte sie uns auf unseren Wunsch hin im Laden gegrillt, doch wir wollen sie in unserem Camper im Topf dämpfen. Die Stadt ist quirlig und wird im Reiseführer auch als das „Paris Albaniens“ bezeichnet. Und hier treffen wir die ersten Menschen, die uns um Geld anbetteln.

Der Ohridsee mit nordmazedonischen Bergen und der Stadt Ohrid im Hintergrund.
Am Ufer des Sees auf albanischer Seite. Im Hintergrund die Stadt Pogradec.
Esel haben hier viel zu schleppen.
Gemüsestand in Korca.
Das christliche Bauwerk in …
…unmittelbarer Nachbarschaft zur Moschee.

Berat, die „Stadt der tausend Fenster“ ist eine touristische Sehenswürdigkeit in Albanien, auch für die Einheimischen. So ganz können wir das nicht nachvollziehen. Sicher, die Stadt ist malerisch an einer Engstelle des Osum-Flusses gelegen. Der Ort wurde bereits 2600 v. Chr. besiedelt und spielte in der Geschichte des Landes unter verschiedenen Herrschaftseinflüssen immer wieder eine wichtige Rolle. Die moderne Fußgängerzone ist gesäumt von Restaurants und Bars. Die Menschen leben vor allem vom Tourismus und in der Umgebung von der Landwirtschaft.

Die „Stadt der tausend Fenster“.
In den Gassen der Altstadt.
Ehemaliger Sitz des Paschas.
Unser Stellplatz in unmittelbarer Nachbarschaft zum Hotel Colombo.
Die Brücke trennt das christliche und das moslemische Viertel von Berat.
Gegrillt wird alles Mögliche: Maronen, Fisch, Fleisch….

Serpentinen, Heilige und gute Lokale

Die albanische Sprache klingt für unsere Ohren hart und es ist schwer abzuwägen, ob die Worte der Menschen einen freundlichen Inhalt transportieren, oder mit Gehässigkeit gespickt sind. Um so wichtiger ist für uns die Konzentration auf Mimik und Gestik. Bei unseren Begegnungen mit den Menschen in den dünn besiedelten Regionen der Bergtäler des Nordens haben wir bisher nur positive Erlebnisse. Uns wird zugewunken, obgleich der mürrische Blick nie ganz aus den Gesichtern der Menschen zu weichen scheint. Als Dankeschön wird gehupt, wenn wir auf den Straßen ein schneller fahrendes Auto überholen lassen. An den Gemüseständen kommt unserem Naturell entgegen, daß anders als in vielen südlichen Ländern nicht um den Preis gefeilscht wird. Der Preis der Waren ist fix. Bezahlt wird, was der Händler verlangt. Die Preise sind moderat und ohne die oft aufgeschlagene „Touristensteuer“. Lek ist zwar die offizielle Währung des Landes, aber an vielen Orten wird die Begleichung der Rechnung in Euro gerne gesehen, zu unseren Ungunsten, jedoch zum Vorteil der Einheimischen.

Die Festung von Lezhe.
Schweine laufen hier oftmals frei herum.
Die Wallfahrtskirche von Lac.
Diese Treppe nervt von Anfang an.

Das Gewohnheitsrecht der Albaner, der Kanun, wird durch deutsche Medien oftmals auf den Teilaspekt der Blutrache reduziert. Dabei handelt es sich um einen Kanon, der Grenz-, Fischerei-, Jagd-, Erb-, Schuld- und andere Bereiche des menschlichen Zusammenlebens regelt. Im Norden Albaniens ist diese Rechtsauslegung anscheinend auch heute noch gebräuchlich, allerdings zunehmend in pervertierter Form. Wir hoffen mal, daß wir auf orthodoxe Albaner treffen, für die der Gast laut Kanun in besonderer Form geschützt ist. Im Vorgarten unseres Gastgebers sehen wir ein Mühlrad in Miniaturversion direkt vor dem Eingang des Hauses. Glaubt man den Ausführungen in Ismail Kaderes Roman Der zerrissene April, darf niemand in der Nähe eines Mühlrades umgebracht werden. Ein symbolischer Schutz unserer Gastgeber?

Wir fahren zur Lagune von Patok. Nach einem ausgiebigen Mittagessen fällt die Weiterfahrt schwer. Auf einem ausgedehnten Schotterplatz stehen wir gut. Wir trinken Kaffee, lesen und beobachten die Pärchen, die mit ihren Mofas und Autos kommen und gehen, eine Weile am Strand sitzen, reden und aufs Meer schauen. Das Meer klingt wie eine Badewanne, die gerade eingelassen wird. Der Mond erhebt sich im Osten, gesäumt von bläulichem Licht, das mit dem tiefroten Schimmer des Sonnenuntergangs im Westen konkurriert. Am Abend fallen Schüsse, die bis Mitternacht andauern. Keine zweihundert Meter von uns entfernt werden Tontauben geschossen. Manchmal hören wir nach einem Schuß ein leichtes Rieseln auf unserem Fahrzeugdach. Irgendwann hören wir lautes Vogelgreischen. Für unsere Ohren kommt das Geräusch aus dem Kofferraum eines Wagens, der neben dem Gebäude der Schießwütigen parkt. Wir sind uns nicht mehr sicher, ob nur auf harmlose Tontauben, oder auf lebende Vögel geschossen wird, die zuvor mit einer Lichtquelle präpariert werden. So genau wollen wir es auch gar nicht wissen. Der Camper aus Bad Tölz, der näher bei den Schützen stand hat in der Nacht umgeparkt. Am nächsten Morgen steht er genau vor uns.

Daimler, Bunker und Jogginghosen – Albanien

Über einen Zwischenstopp in Bozen, erreichen wir am zweiten Tag unserer Reise Ancona. Von dort aus geht es am nächsten Tag in einer sechzehn stündigen Fahrt mit der Fähre über das Mittelmeer in das albanische Durres. Erinnerungen an Palermo kommen in uns hoch. Die Hinweisschilder zum Anleger sind spärlich und natürlich nur auf italienisch. Die Abwicklung im Fährhafen ist wieder einmal als chaotisch zu bezeichnen. Wir treffen auf einen schweizerdeutsch sprechenden Kosovaren mit ausgeprägten Argauer Dialekt, der uns gesteht, ohne Navigationsgerät hier ziemlich planlos zu sein. Er versichert uns, der Fährhafen in Bari sei um einiges übersichtlicher und strukturierter. Er fährt uns hinterher. Erst zum Supermarkt, dann zum Terminal, das wir unter Zuhilfenahme unseres Navigationsgerätes schließlich finden.

Der Fährhafen von Ancona.
Unsere Fähre nach Durres.
Unsere neue Bekanntschaft, ein schweizerischer Kosovare.
Ancona von der Fähre aus.
Das Lieblingsspiel der Albaner ist Domino.

Der erste Tag in Albanien wirkt auf uns ernüchternd. Es regnet und das orientalische Flair überwältigt uns im ersten Moment. Wir müssen uns erst langsam daran gewöhnen. Die desolaten Nebenstraßen, der allgegenwärtige Müll, die Geschäftigkeit der Menschen auf den Straßen. Nimmt man die albanische Automarkenpräferenz als Maßstab, könnte man meinen in Deutschland zu sein. Daimler, neu und alt überwiegen im Straßenbild. Dazu gesellen sich Modelle der Marken BMW, Audi, und VW. Tankstellen unterschiedlicher einheimischer Marken und Autowaschanlagen sind zahlreich vorhanden. Die Anlagen bestehen entweder aus einfachen klapprigen Carports aus Holz, oder aus Asphaltplätzen mit Ablauf im Boden. Selbst gemalte Schilder am Straßenrand mit der Aufschrift „Auto Lavazah“ weisen den Weg zu den immer gut besuchten Plätzen. An den Straßen stehen Gemüsehändler in ihren provisorisch zusammengeschusterten Ständen und bieten ihre Waren feil. Für einen Bund Knoblauch bezahlen wir weniger als zwei Euro. Neben der Straße grasen Schafe, Ziegen, Pferde, Kühe. Es streunen Hunde umher und manchmal stecken freilaufende Schweine ihren Rüssel in die aufgeweichte Erde. Ein Bauer mit seinem Eselsgespann auf der Hauptverkehrsader, der von einem Range Rover überholt wird, ist keineswegs ein seltener Anblick. Der Menschenschlag erscheint uns auf dem ersten Blick ein wenig „muffig“,aber trotzdem sehr zuvorkommend und freundlich zugleich.

Die Fähre am Koman.
Bitte ohne Ton ansehen. Etwas klappt nicht mit der Konvertierung:-))
Unser Stellplatz und …
…. unser Restaurant unter der Brücke. Man sitzt quasi direkt darunter und schürt am Pfeiler hinten noch ein kleines Feuer.
Einen Bündel leckeren Knoblauch finden wir an jedem Gemüsestand.
Die Valbona.

Luxemburg, Belgien und die deutschen Saubeutel

Seit Tagen versuche ich mich an einem Text über unseren Ausflug nach Luxemburg bzw. Belgien. Es will mir nicht so recht gelingen. Ich möchte berichten über unsere Rast in Entenpfuhl, einem Ort, der historische und biographische Insidenzen in sich vereint. Im Frühjahr 2020, auf unserem Rücksturz aus Portugal in das gelobte „coronasichere Deutschland“ fuhren wir an der A6 an dem Rastplatz Entenpfuhl vorbei. Im August 2021, auf unserem Weg nach Trier, erreichen wir das Forstamt Soonwald Entenpfuhl. Normalerweise kommt hier niemand vorbei, der nicht unbedingt dort hin muß. Aber wir haben unserem Navigationsgerät die Autobahnen ausgetrieben und so müsen wir uns durch die Pampa schlagen. Nicht die schlechteste Option, in der Regel. In dem Ort befindet sich ein Denkmal für den Jäger aus Kurpfalz. Der Kaiser Wilhelm 2nd, der mit dem Schnauzer und den Kriegsambitionen, war hier höchstselbst, um das Denkmal einzuweihen. Wir finden uns sozusagen auf historischem Boden, obwohl der im Moment ziemlich durchnäßt und unbegehbar wirkt. Das Denkmal und seine Umgebung haben ihre besten Zeiten ebenfalls hinter sich. Das Lied „Der Jäger aus Kurpfalz“, ein Lied mit unbekannter Herkunft, war unserem ehemaligen Kanzler Helmut Kohl ein Herzensanliegen. Bei öffentlichen Auftritten ließ er es als Pfälzer gerne spielen, allerdings ohne die Strophen 3-5. Das wäre dann doch zu viel Saubeutelei gewesen, die ursprünglich sexuelle Konnotation des Liedgutes wurde verschwiegen, uns vorenthalten wie die „blühenden Landschaften“. Weiter nach Luxemburg. In Echternach rattern überdimensionierte Entfeuchtungsgeräte, um die Gebäude trocken zu legen. Die Sauer trat über die Ufer, wie an der Ahr. Nur in Deutschland hörte man nichts davon. Luxemburg ist weit weg. Die national-mediale Steuerung funktioniert prächtig. Die erduldete Wasserhöhe durch das Unwetter ist an vielen Sandsteinhäusern sichtbar. Nasser Sandstein zeigt lange seine unfreiwillige Verbindung mit Wasser. Die Kleine Luxemburgische Schweiz, bzw. das Mullerthal überrascht mit urigen Felsformationen und im Vergleich zur Fränkischen Schweiz, mit naturnaher Bewirtschaftung, die in den Wanderbereichen fast schon an forstwirtschaftliches Nichtstun grenzt. In Belgien müssen wir natürlich Pommes frites probieren. In Verbindung mit Moules wird daraus ein Klassiker der belgischen Küche. In Malmedy werden wir fündig und gönnen uns dazu noch das ein und andere Starkbier, ohne Vanille, Brombeer, und sonstige Aromen, für die die belgische Bierbrauerzunft so berühmt ist. Landschaftlich erinnert Luxemburg und die angrenzende Region in Belgien an die Eifel. Die Ardennen sind ja die Fortsetzung dieses Gebirgszuges unter anderem Namen. In Belgien stapfen wir in der Hohen Venn durch ein acht Kilometer langes Moorgebiet auf den klassischen Holzstegen, wie wir sie aus Estland, oder dem „Schwarzen Moor“ in der Rhön bereits kennen. Mit Rastgelegenheiten und Infotafeln am Weg haben sie es in Belgien nicht so, hier wird anscheinend ohne Rast bis zum Ende gelaufen. Auch gut, unsere Schuhe sind danach ziemlich versifft, da wir streckenweise auf durchnässten Moorwegen unterwegs sind. Tröstlicherweise bleiben wir auf unserem Wege nicht allein. Durch den Morast müssen alle zurück und das Ausklopfen und säubern der Schuhe hat so etwas wie eine gemeinschaftsstiftende Funktion.

Kohl war wohl nicht hier…
Unser Übernachtungsplatz in Trier.
In Echternach.
Moorgewächse.
An einer Wetterstation mitten im Moor.
Schlammige Wege…
Miesmuscheln mit Pommes…
… und dazu ein belgisches Bier.
Wo früher Zigarettenschachteln lagen…

Miltenberg, oder der Topos des Südens

Eine Stadt, die uns mitten im August, an den gefühlt wärmsten Tagen des Jahres anspringt wie ein Ort weiter südlich ( ja, anspringt, nicht erscheint, oder vorkommt). Die Lichter der Nacht, die Straßen am Tag. Die Anmutung des Nachtpanoramas samt dazu gehörender Geräuschkulisse des Verkehrs erinnert an Tage am Gardasee. Abends finden an der Flußmauer Partys statt. Ein Ghettoblaster hier, ein Bluetooth-Lautsprecher dort, die ihre Songkonserven aus den 70er, 80er, und 90er Jahren in die Dunkelheit schicken. Selbst tagsüber verschwindet der Eindruck südlichen Flairs nicht. Die Gassen sind belebt. Das „Unkraut“ steht an vielen Plätzen und darf stehen. Es gehört zum Ensemble, macht es vollständig. Schiffe auf dem Wasser. Vom Ausflugsdampfer bis zum Skipper mit seinem Schlauchboot. Alles ist vorhanden (nicht vertreten) und kurvt auf dem Main. An seinem Ufer wird gegrüßt, gebadet und den Ausflüglern des Stroms zugewunken. Dort findet sich ebenfalls die Karikatur eines Deutschen ein, der seinen Enkeln Vorträge über Gott und die Welt hält. Auf allen Gebieten kennt er sich aus, erläutert den Kindern etwa, der Main habe die Form des Buchstabens „W“. Mit beiden Armen in die Hüften gestemmt, doziert er unermüdlich mäandernd wie der Fluß auf dem er fährt. In den Gassen Miltenbergs schwirren Satzfetzen umher: „… denn das sind Spezialisten“. „Die sind vom Fach…“. „Nein, ich möchte nur meine Möglichkeiten abwägen…“. Auf einem Schlag weicht der Ansprung südlicher Lebensart der fränkischen Realität. Die Blase platzt und gibt der Einsicht Raum, daß Gehörschutz manchmal von Vorteil wäre, um die Vorstellung einer idealisierten Umgebung aufrecht zu erhalten.

Die Wanderung, das KZ und die Bürgermeisterin

In Bad Aussee, einem kleinen Städtchen am Rande der Steiermark übernachten wir auf einem Schotterparkplatz, wie so oft. Im Ort befindet sich, der mittlerweile revidierte geografische Mittelpunkt Österreichs in Form eines Mercedessterns, finanziert von der Daimler AG, Stuttgart. Auf Skulpturen und die Geschichte des volksnahen Erzherzogs Johann trifft man an vielen Stellen vor Ort. Er hat nicht nur eine Bürgerliche geheiratet (die Poster Dora von Bad Aussee), sondern war auch ein Anhänger freiheitlicher Ideen. Klaus Maria Brandauer wurde ebenfalls hier geboren. Am nächsten Tag machen wir eine Wanderung um den Altausseer See, genießen die Landschaft auf dem sieben Kilometer langen Rentnerweg und entdecken weitere historische Bezüge, die ins Hohenloher Land reichen. Der See liegt malerisch eingebettet im Toten Gebirge, von der Trisselwand majestätisch flankiert. Mit offenen Augen laufend und begleitet von gut gemachten Informationstafeln am Rande des Weges, schrumpft die Welt zusammen, die Bedrohlichkeit der Fremde wird gebannt. Wir fahren zu einem neu eröffneten privaten Stellplatz in der Nähe des Sees. Dort wollen wir entsorgen und unseren Wasservorrat auffüllen. Ein Herr in Tracht nähert sich unserem Wagen beim Wendemanöver am Platz. Ich lasse die Scheibe herunter und frage ihn welchen Betrag er für diese Dienstleistung möchte. Er antwortet: „Fünf Euro“ und uns kommt es so vor, als hätten wir ihn mit dieser Frage überrumpelt, denn er richtete die Höhe des Betrages selbst unsicher fragend an uns. Auf dem Gelände ertönt Blasmusik. Menschen in vollem Trachtenwichs sitzen auf Bänken, stehen herum, sitzen über Speisen und laben sich an ausgeschenkten Getränken. Es ist ein Fest im Gange und wir sind, so scheint es, mitten in die Einweihungsfeierlichkeiten des Platzes geraten. Wir fahren zur Ablaßstelle und der „Trachtenboss“ spricht mit Karin. Ich bin gerade dabei unsere Toilette zu entleeren, als sich eine hochgestellte Dame mit Sandalen und rot lackierten Fußnägeln zu uns gesellt. Sie grüßt mich freundlich, während ich unsere nur mäßig zersetzten Fäkalien aus der Klokassette neben ihre Füße in das vorgesehene Bodenloch kippe. Der „Trachtenboss“ und die Dame der Politik sehen emotionslos zu und ziehen dann weiter Richtung Blasmusik. Nach dem letzten Spülgang der Kassette drehe ich mich um und sehe in der Ferne deutlich das Tattoo auf ihrer rechten Schulter.

In Ebensee fahren wir ab, weil wir ein Hinweisschild zu einer KZ-Gedenkstätte entdecken. Wir fahren durch ein Siedlungsgebiet, in dem plötzlich ein Torbogen steht. Der ehemalige Eingang zum KZ. Die Siedlung wurde also mitten in das KZ gebaut. Wir finden das sehr befremdlich und parken neben dem Spielplatz, der sich in unmittelbarer Nähe zum Friedhof des Lagers befindet. Als wir aussteigen ruft uns ein Mann, der gerade mit seinem Kind an der Schaukel steht zu: „Na, ihr Haßfurter.“ Er hat unser Kennzeichen gesehen und das Autokennzeichen unseres Landkreises kennt er als gebürtiger Ingolstädter schließlich. Seine Frau grüßt uns ebenfalls sehr freundlich. Wir kommen mit den beiden ins Gespräch. Sie wohnen seit längerem hier und empfehlen uns den Besuch des Friedhofes und des Stollens, für den wir einen Spaziergang durch die Siedlung unternehmen müssen, da er sich am Rande des bebauten Gebietes befindet. Wie sich herausstellt, hat die Frau jüdische Wurzeln. Ihr Großvater (oder war es der Vater) war in Mauthausen interniert, dem Hauptlager von Ebensee. Wir denken lange über diesen Zufall nach, erlauben uns kein Urteil, stellen jedoch fest, daß in Österreich wenigstens Hinweisschilder zu KZ-Nebenlager existieren, anders als in Deutschland. Wir können uns nicht erinnern, z.B. in Bad Fallingbostel eine Hinweistafel gesehen zu haben, die auf ein ehemaliges Internierungslager hinweist. Die deutsche Erinnerungskultur erscheint uns ein wenig selektiv, um es vorsichtig auszudrücken.

Zurück in Deutschland fallen uns die überdimensionierten Hinweisschilder zu Kläranlagen auf. Die haben wir in keinem Bundesland in Österreich gesehen. Warum stehen diese Schilder in Deutschland? Gibt es bei uns etwa einen Kläranlagentourismus? Der Bauhofmitarbeiter und sonstiges Fachpersonal dürften doch auch ohne Schild wissen wie sie zur Kläranlage finden. Seltsam, aber so etwas fällt eben auf, wenn man eine Zeit lang die vertraute Umgebung hinter sich läßt.

Das Fazit zu unserer Reise durch Österreich fällt durchweg positiv aus. Wir haben sehr kommunikative und hilfsbereite Menschen kennengelernt, freundlich mit angenehmen Humor, mit denen auch tiefgründige Gespräche möglich und erwünscht waren. Vor allem lohnt es sich, dieses Land abseits der touristischen Hotspots zu erkunden.

Mit Bauernleben reisen wir nicht nur mit Wein aus dem Kamptal….
Ein neugieriges Pony am Abend.
Im Lesachtal bei Maria Luggau.
Der mittlerweile widerlegte geografische Mittelpunkt Österreichs in Bad Aussee.
Wanderung am Altausseer See.
Davor wird natürlich gefrühstückt.
Friedhof des ehemaligen KZ Ebensee.
Das ehemalige KZ-Nebenlager Redl-Zipf in Neukirchen an der Vöckla.
Die letzte Rast auf österreichischem Boden, kurz vor Braunau am Inn.
Ein Zipfer aus Zipf. Es schließt sich der Kreis….
In Altötting.

Idyllisches Österreich bei Kaprun

Kaprun.

Das idyllisch gelegene Kaprun in der Nähe von Zell am See im Salzburger Land. Bekannt wurde es vor allem durch die Brandkatastrophe der Gletscherbahn im Jahre 2000. Die Aufnahme der Geräuschkulisse entstand am Aufnahmeort des Bildes 🙂

Und Tirol?

Durch Tirol fahren, die Landschaft auf sich wirken lassen, dabei den Verkehr ignorieren und den ganzen Klimbim übersehen. Die Berge sind zu hoch, die Täler zu düster, die Häuser zu groß. Die zahlreichen Pässe zu fahren nervt mit der Zeit. Weg von hier….

Gedanken zur österreichischen Küche

Wiener Schnitzel, Tafelspitz und Sachertorte fallen uns zuerst ein, wenn wir an typische Gerichte der österreichischen Küche denken. Der Großteil der Gerichte ist für die Camperküche jedoch ungeeignet, es sei denn man hat einen Ofen an Bord. Meinetwegen auch den immer beliebter werdenden Omnia, aber unsere Meinung zu diesem Küchenutensil ist zwiegespalten. Zum Brötchen aufbacken ist das Teil zu sperrig und für Aufläufe und dergleichen braucht es uns zu viel Energie. Vanillerostbraten, Stephaniebraten, Paprikahendl, Gulasch und Knödel unterschiedlichster Art brauchen ebenfalls Zeit auf dem Herd und im Ofen. Die österreichische Küche ist, im Vergleich zur italienischen Küche mit ihren schnell zubereiteten Nudelgerichten, träge wie ein mit Uhudler abgefüllter Burgenländer. Und dann noch diese Süßspeisen, bestehend aus Zipferl, Kipferl, Nockerln, Buchteln, Reinlingen, Wäschermädeln, Öpfelradeln und was es sonst noch für Gerichte gibt, die mit Zucker verpanscht werden können. Süßspeisen kommen bei uns im Van nicht auf den Tisch. An den Konditoreien laufen wir vorbei und wundern uns über die große Auswahl. Einkaufen würden wir dort nur, wenn sie Saure Gurken im Angebot hätten. Ein perfekt zubereitetes Wiener Schnitzel ist ein Hochgenuß, natürlich am besten mit Kartoffelsalat serviert, statt mit labbrigen Pommes Frites wie es in Deutschland allgemein üblich ist. Ein Schnitzel muß allerdings schwimmen und da wären wir wieder bei der Schwierigkeit dieses Gericht im Camper zuzubereiten. Wohin mit dem ganzen Öl nach dem Bratvorgang? Und wo sollen wir unsere Panierstraße aufbauen? Vom Fahrerhaus bis nach hinten ins Bett? Eine romantische Vorstellung. Bleibt nur noch Wurst- und Käsesalat und die Brettljause. Wenn es sein muß gerne, aber bitte nicht so oft. Und auf das Geselchte haben wir bei über 30 Grad Celsius keinen großen Appetit. Von der Käsekrainer haben wir noch gar nicht gesprochen. Unsere wanderte in Wien in den nächsten Mistkübel. So etwas ist für Masochisten, unsere Geschmacksnerven und Mägen vertragen die geschmacklich übertriebene Überfülle der „Eitrigen“ nicht.

Jede Region Österreichs hat eine eigene Kochtradition, die oftmals von den Nachbarländern beeinflußt wurde. Besonders deutlich wird das bei der Burgenländischen Küche. Da das Bundesland bis 1921 zu Ungarn gehörte, sind heute noch bei vielen Gerichten ungarische Einflüsse vorhanden. Nicht selten spricht man darum auch von der Pannonischen Küche. Es gibt verschiedene Gulaschvarianten, Paprikagerichte und die bekannte Knoblauchsuppe, die wie die spanische Variante, in erster Linie eine Brotsuppe ist, für die das alte harte Brot zur kulinarischen Resteverwertung verwendet wird. Die uns bekannten Rezepte beinhalten entweder Selchspeck, Schlagobers, Rahm, Ei, oder alle Zutaten in Kombination, womit wir wieder bei der Überfülle wären. An dieser Stelle deswegen eine leichtere Variante der Knoblauchsuppe, die es bei uns (mir) öfters gibt. Altbackenes Brot wird im Ofen bzw. in der Pfanne angeröstet. Bei wirklich harten Brötchen und Brot kann darauf auch verzichtet werden. In einem Topf wird in dünne Scheiben geschnittener Knoblauch goldgelb gebraten. Wer mag, kann noch Speck mit anbraten lassen. Dann allerdings die Menge des Olivenöls reduzieren. Eine gute Portion Paprikapulver wird mit dazu gegeben. Der Paprika braucht die Hitze, um sein Aroma zu entfalten. Anschließend kommen die Brotstücke und der Fond bzw. das Wasser in der gewünschten Menge dazu. Jetzt ist der Moment gekommen, um mit Salz, Pfeffer und Chili zu würzen. Pro Person kommt noch ein Ei in die Suppe. Wir lassen es bei geschlossenem Deckel pochieren. Zum Schluß mit Petersilie garnieren und heiß servieren.

Einen Guten

Von G M – Flickr: Sopa de Ajo, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=32205947

Im Land der Blauen – Kärnten

In Ferlach, der südlichsten Stadt Österreichs, stehen wir zwei Tage lang auf einem städtischen Stellplatz. Nach Klagenfurt sind es ca. 20 Kilometer und dort hat Karin einen Termin in einer Zahnarztpraxis, da ihr morgens beim Biß in das Brötchen ein Stück Zahn abgebrochen ist. Die Kosten der Behandlung stellen sich als ausgesprochen moderat heraus, vor allem wenn man bedenkt, daß es sich um eine Privatabrechnung handelt. Nachdem der Zahn versorgt wurde, besuchen wir die Innenstadt von Klagenfurt. Danach fahren wir wieder zurück nach Ferlach ins Rosental, um unsere zweite Nacht dort zu verbringen. Beim örtlichen Bäcker wird unsere Anwesenheit aufmerksam registriert. Dort kennt man mittlerweile unsere Brötchenvorlieben und natürlich weiß die Verkäuferin bereits, daß wir wieder in der Stadt sind. Beruhigend, soll doch das Rosental für seine hohe Kriminalität bekannt sein, wie uns am nächsten Tag versichert wird. Nach einer mehrstündigen Wanderung in der Tscheppaschlucht und einem kurzen Abstecher zum Meerauge im Bodental, erreichen wir abends einen Hof bei Gurk, den wir über Bauernleben gefunden haben.

Wildensteiner Wasserfall unweit der Ortschaft Gallizien.
In der Fußgängerzone von Klagenfurt.
Der Lindwurmbrunnen in Klagenfurt. Das Wahrzeichen der Stadt.
Unser Stellplatz auf dem Hof Lucky Bur.
Der Troadkasten hat schon bessere Zeiten gesehen.
Eine historisch provisorische Behausung für Waldarbeiter und gerne genutzter Platz für Schmuggler.
Am Meerauge im Bodental.
Am Millstätter See in Kärnten.