Touristische Sehenswürdigkeiten oder das wirkliche Leben

Sizilien macht es uns nicht leicht, unsere kulturelle Ader zu befriedigen. Seit wir auf der Insel sind, haben wir bisher viele touristische Sehenswürdigkeiten elegant umfahren. Nicht weil wir nicht gewillt waren sie anzuschauen, sondern vielmehr aus ganz banalen Gründen. Wir sind nicht bis zu ihnen vorgedrungen. Das soll uns mal einer in der Nicht-Saison nachmachen. Die Navigation nach Karte und Wegweisern ist hier fast unmöglich. Es stehen zwar Schilder zur nächsten Ortschaft, doch bei der übernächsten Abzweigung fehlen sie plötzlich. Unsere „Uschi“dagegen (so nennen wir unser Navigationsgerät) führt uns auf Straßen die so eng sind, daß ein 500er Fiat mit den Kurven zu kämpfen hat und vorzugsweise natürlich auf dem kürzesten Weg mitten durch die Ortschaften. Wer hier nicht die Maße seines Autos kennt, hat ein gehöriges Problem.

Manchmal wird es eng….

Die Geschwindigkeitsangaben der „Uschi“ stimmen trotz aktueller Software in diesem Land nicht. Sagt sie wir sollen 50 km/h fahren, lächelt uns ein 90km/h-Schild am Straßenrand an. Schlägt sie uns 70km/h vor, sehen wir ein krumm gebogenes Schild mit der Aufschrift 30km/h. Seit wir hier sind achten wir nicht mehr auf Geschwindigkeitsschilder, eigentlich ignorieren wir alle Schilder. Steht eine Warntafel an der Seite, die vor Kontrollen warnt, verlangsamen wir unsere Fahrt. Wir schwimmen einfach mit, beobachten die anderen und passen uns dem Verkehr an. An vielen Straßen stehen Sperrschilder. Entweder wird dort gebaut, oder eine Straße wurde durch Unterspülung unbefahrbar. Eine Umleitung sucht man vergebens. Unser Navi will uns zu allem Überfluß immer wieder auf die selbe Strecke zurückführen und das nach einem Wendemanöver von ca. 100 km. Schon einige Male haben wir entnervt aufgegeben und das im Reiseführer angepriesene Highlight, wie die Nekropole von Pantalica, einfach links liegen gelassen. Wir trösten uns dann mit dem Angebot an der Fischtheke im Hafen, dem Angebot auf den Märkten und diversen Espressi an den Tankstellen. Für uns im Moment die wichtigsten Orte. An diesen Plätzen geht es ziemlich unaufgeregt zu. Und wie wir von einem „Agenten“ des Gemüsehändlers in Brucoli erfahren haben, ist Essen absolut wichtig, womit der Typ wohl recht hat.

Gegrillte Zwiebel und Aubergine vom Gemüsehändler. Da wird eine leckere Caponata daraus.
Fischhändler in Brucoli.
Der Hl. Nikolaus am Strand (der rechts auf dem Baumstumpf 🙂
Leckeres Arancino. Eine sizilianische Spezialität. Diese Form bekommt man in Ragusa serviert.
„Essen ist wichtig“, sagte der „Bellavista“ aus Brucoli.
Aus der Aubergine haben wir letzten Endes keine Caponata gekocht, sondern einen sizilianischen Pastaklassiker: Pasta con le melanzane.

Das Wetter und das gute Essen. Mehr braucht es nicht, wenn uns die vom Reiseführer angepriesenen Highlights versagt bleiben. Teilweise sind wir natürlich selbst Schuld. In Siracusa standen wir vor dem Antiken Theater. Hinein gegangen sind wir nicht. Die Anschlagtafel mit den Preisen, Ermäßigungen und Ausnahmen war so kompliziert, daß uns die Lust vergangen ist. Die Preisliste erinnert stark an die übergroßen Aushänge der Saisontarife von Campingplätzen. Die römische Zeit liegt zwar schon ein Weilchen in der Vergangenheit, der bürokratische Wahnwitz würde aber heute noch einen Gallier wie Obelix die Zornesröte ins Gesicht steigen lassen. Dazu kommt noch, daß uns ein „Vizehausmeister“ beim Einparken geholfen hat. Einer von der Sorte, die Luciano De Crescenzo in seinem Roman „Also sprach Bellavista“ beschreibt. Leute die keine reguläre Arbeit haben, aber sich welche verschaffen. Es gibt da die Geschichte vom Hausmeister, der seine Arbeit an einen „Vizehausmeister“ abgibt, der wiederum bekommt im Gegenzug eine Wohnung zugeschustert. Arbeitsbeschaffung auf italienisch. Bei 20% Arbeitslosigkeit muß man eben erfinderisch sein. So ein „Vize“, ein junger Kerl, Muckis, durchtrainiert und tätowiert, läuft auf unser Auto zu, als wir gerade einparken. Wir lassen die Scheibe herunter. Er sagt: „Drei Euro“. Ich frage: „Wofür“? Er wiederholt den Preis und ich frage immer wieder nach für was wir drei Euro bezahlen sollen, bis Karin sagt, ich solle dem Kerl doch endlich die 3 € geben. Er grinst, reicht uns eine Karte durchs Fenster, die aussieht wie ein Rubbellos bei dem alle Felder bereits frei gerubbelt wurden. „In die Scheibe legen“, sagt er noch und schon trillert er auf seiner Pfeife, um die nächsten einzuweisen. Ein paar Autos vor uns geht ein Italiener zum Parkscheinautomat, zieht ein Ticket und legt es in die Windschutzscheibe. Dem „Vize“ gefällt das nicht, er spricht ihn an. Es folgt eine lautstarke Unterhaltung, dazu wird wild gestikuliert. Aus der Entfernung sieht es aus, als würde der Italiener im nächsten Schritt zur Waffe greifen, oder den „Vize“ eigenhändig erwürgen. Dieses Schauspiel dauert vielleicht drei Minuten. Plötzlich endet es so schnell, wie es begonnen hat. Beide Kampfhähne gehen ihrer Wege, die Situation ist geklärt. Was für eine Dramatik und Pathos denken wir und machen uns auf zum Eingang, an dem wir allerdings wieder kehrt machen, nachdem wir die Preistafel studiert haben. Ich denke in dem Moment an eine chinesische Speisekarte. Wir gehen zum Auto zurück und der „Vize“ grinst uns an, kommt auf uns zu und ist plötzlich des Englischen mächtig. Seinen „Parkschein“ möchte er wieder haben. Ich gebe ihm das abgewetzte Rubbellos und starte den Motor. Natürlich ist der Polizei das Treiben solcher Typen bekannt. Solange ihre Parkeinnahmen nicht überhand nehmen, wird denen auch nichts passieren. Und wir können uns sicher sein, daß unsere Windschutzscheibe noch ganz ist und wir keinen offiziellen Strafzettel bekommen, solange wir dem „Vize“ seine Gebühr entrichten. Eine Hand wäscht hier die andere. Der Lateiner spricht von Do ut des, was abgesehen vom sakralen „Gschmäckle“ auf das gleiche hinausläuft :-))

Die Altstadt von Ragusa.
Menschenleere Gassen um diese Jahreszeit.

Aus der Camperküche – „Gustl, heute gibt’s was Gutes“

In unserer Küche wird selten etwas weggeworfen, auch kein altes Brot. Wir machen es zwar nicht mehr wie unsere Großeltern und stellen aus Altbackenem unser eigenes Paniermehl her, aber Brot und Brötchen kann man auch anders verwerten. Bei uns wird daraus immer das Gericht Gustl, heute gibt’s was Gutes. Der Name des Restegerichtes geht auf eine Erzählung meiner Oma zurück. Als Kind hat sie am Schabbes bei den jüdischen Nachbarn den Küchenofen angezündet. Als Dank dafür, hat die Nachbarin ihr oft eine Mahlzeit zubereitet, die sich im folgenden Rezept widerspiegelt. Meiner Oma Augusta hat sie dann immer gesagt: „Gustl, heute gibt’s was Gutes.“

Wir nehmen altbackene Brötchen, brechen sie in Stücke und rösten sie in der Pfanne mit Butter oder Olivenöl an. Haben wir Speck oder Schinken vorrätig, geben wir ihn mit dazu. Sind die Brötchenwürfel geröstet, kommen zwei ausgeschlagene Eier in die Pfanne. Eventuell salzen wir jetzt und verfeinern das Ganze mit groben Pfeffer aus der Mühle. Meistens kommt noch eine Prise Paprikapulver obendrauf. Auf kleiner Flamme warten wir solange, bis die Eimasse gestockt ist, bzw. wenden den Pfanneninhalt einmal durch. Wer es üppig mag gibt noch eine Käsescheibe darüber und wartet, bis sie geschmolzen ist.

Es gezunderheyt

Von Taormina zum Ätna und drüm herüm

Wir betrachten Taormina von Castelmola aus. Die Durchfahrt von Taormina war anstrengend genug. Die Gassen sind eng, der Verkehr wieder einmal höllisch und die Verkehrsführung, gelinde gesagt chaotisch. Das „sizilianische Rothenburg“ ist von oben gesehen sowieso schöner, als mitten im Touristengewühl mitzuschwimmen. In Castelmola bezahlen wir für einen Espresso 1,80€. Normalerweise, fern der Touristenströme schwankt der Preis zwischen 80 Cent und 1€. Und nicht zu vergessen, sind die Tassen hier vorgewärmt. In einer deutschen Eisdiele kommt der Café oftmals in kalten Tassen an den Tisch und die Preise bei uns sind natürlich eine Frechheit, bedenkt man, daß das in Italien obligatorisch dazugereichte Wasserglas in Deutschland nur äußerst selten ohne explizite Nachfrage mit an den Tisch gebracht wird.

Taormina von der Normannenburg in Castelmola aus gesehen. Links auf dem Berg, das antike Theater.
Der Hl. Pio in Castelmola. Einer der beliebtesten modernen Heiligen Italiens.
Kaum noch Platz für Rosenkränze.
Maria SS dei Tindari.
Der rauchende Ätna aus „sicherer Entfernung“.
An den Silvestri-Bergen.
Pfeifender Wind, Wolken und Minustemperaturen an der Südflanke des Ätna auf 2000 Metern Höhe, bei der Rifugio Sapienza.
Ein Spaziergang auf einem der Krater der Silvestri-Berge.
Einige der zahlreichen Nebenkrater des Ätna.
Die Stoßstangen mit Sisalseilapplikationen. Selbst italienische Hippies haben Stil hier :-))
Gefühlte 80 Prozent der Autos sehen an den Stoßstangen allerdings so aus.
Unschwer zu erkennen. Wir passen uns so langsam dem Land und seinen Gepflogenheiten an. Unsere Hupe funktioniert übrigens auch sehr gut.
In Milo warten die beiden Streuner auf Futter, bekommen nichts und ziehen weiter. Sie sind gut genährt und in keinster Weise aggressiv.
Diese Katzenkollonie wird mit Trockenfutter von Nachbarn versorgt.

Giardini-Naxos im Regen

Seit zwei Tagen sind wir auf Sizilien. Seitdem begleiten uns Regen, Sturm und Gewitter. Wir stehen auf einem günstigen kleinen Campingplatz in Giardini-Naxos und warten auf besseres Wetter. Die Hotels, Cafes und fast alle touristischen Attraktionen haben geschlossen. Streckenweise laufen wir durch eine Geisterstadt. Einige Bars haben dennoch geöffnet. Hier schauen die Einheimischen auf einen Espresso vorbei und versprengt dazwischen sitzen einige Deutsche und Franzosen. Wir empfinden das als angenehm. Zur Hochsaison sieht es hier vermutlich anders aus. Die Batterien an eingemotteten Badeliegen und hochgeklappten Stühlen vor den Lokalen läßt den Ansturm an Touristen während der Hochsaison erahnen.

Giardini-Naxos, zwischen Messina und Catania gelegen, war die erste griechische Kolonie auf Sizilien und wurde 735 v. Chr. gegründet.

Naxos auf Sizilien, nicht zu verwechseln mit der griechischen Kykladeninsel.

Die Nachbarstadt ist Taormina, unter anderem bekannt für sein Antikes Theater, das zweitgrößte auf Sizilien nach dem von Syrakus.

Am Lido di Naxos bei stürmischem Wetter. Im Hintergrund auf dem Monte Tauro sieht man Taormina.

Obwohl uns das Wetter im Moment die Weiterfahrt vergällt, sind wir doch froh ein paar Tage zur Ruhe zu kommen. Die letzten Wochen sind wir jeden Tag gefahren. Einfach nur ein paar Tage irgendwo stehen. Das Auto nicht jeden früh „klar Schiff“ machen, um die weniger werdenden hellen Stunden des Tages auszunutzen. Spätestens ab 15 Uhr sind wir sonst auf der Suche nach einen geeigneten Stellplatz. Selbst bei Tageslicht sind die Straßenverhältnisse hier alles andere als, wie sollen wir sagen: „bequem“. Und da es ab 17 Uhr dunkel wird, stehen wir lieber vorher an unserem freien Schlafplatz. Campingplätze benutzen wir ansonsten nur einmal die Woche, um uns und die Wäsche gründlich zu säubern. Aber langsam reisen schadet nicht. Wir sind unterwegs, aber müssen nichts. Bei den Vorschlägen der Reiseführer machen wir oft das Gegenteil. Steht dort, „keinesfalls besuchen“, fahren wir hin. Bisher sind wir damit nicht schlecht gefahren. Nach Sibari wären wir sonst ganz bestimmt nicht gekommen. Und das authentische Leben findet abseits der Reiseführer statt. Diese Anleitungen kann man nicht ernst nehmen. Sie sind in etwa vergleichbar mit den Staumeldungen und den dazu genannten Alternativstrecken im Radio oder am Navigationsgerät. Einfach nicht befolgen und ihr fahrt besser.

Es bietet sich an, unsere Standzeit zur Reparatur der Toilettenspülung zu nutzen. Ja, bei Campern gewinnen die elementaren Dinge an Bedeutung. Im Sinne des „Hartlingschen Toilettentheorems“ (oder war es „Murphys Gesetz“ ?) kommt es durchaus vor, daß die Pumpe defekt sein kann und einer Reparatur bedarf. Wir sind seit Anbeginn der Reise mit einer defekten Spülung unterwegs. „Lieber nicht aufs Klo“ eröffnet somit als theoretischer Lehrsatz auch für uns ganz neue Bedeutungsebenen :-))

Die ausgebaute Wasserpumpe sieht nach der ersten aus, denn das Stromkabel geht direkt in die Pumpe und der Schriftzug des Herstellers ist noch deutlich zu erkennen. Somit ist die Pumpe 14 Jahre alt. In Anbetracht der Tatsache, daß es sich bei den Tauchpumpen um Verschleißteile handelt, hat sie doch erstaunlich lange ihren Dienst verrichtet. Das „Manual“ von Thetford sieht vor, das Kabel einfach durchzuschneiden und die neue Pumpe mittels Schrumpfschläuchen elektrisch zu verbinden. Etwas seltsam, liegt doch das Kabel später im Spülkasten komplett unter Wasser.

Auszug aus dem Manual von Thetford.
Verschrumpftes Kabel mit angeschlossener Pumpe vor dem Einbau in den Spülkasten.

Die Schrumpfschläuche haben wir natürlich zu Hause gelassen. Wer kann schon ahnen, daß wir auch die noch brauchen werden. Im italienischen Baumarkt finden wir schließlich nach drei Wochen eine Packung in unterschiedlichen Größen. Nun gut, auf diese Weise lernen wir italienisch und nehmen ein weiteres Wort in unseren Wortschatz auf: „guaina termoretraibile“ für Schrumpfschlauch.

Aus der Camperküche – Spaghetti alla puttanesca

Da es Spaghetti alla puttanesca („nach Hurenart“) bei uns zu Hause oft gibt, liegt es nahe dieses Gericht auch auf Reisen zu kochen. Über die Entstehung des Rezeptes gibt es wieder verschiedene Legenden, nur keine gesicherten historischen Fakten. Ob nun die Huren dieses Gericht aufgrund seiner Einfachheit und der im italienischen Raum immer verfügbaren Zutaten zwischen den Besuchen ihrer Freier zubereiteten, oder ob der Name des Gerichtes mit der früheren Bordellpraxis zusammenhängt, die den Huren nur einmal die Woche Zeit zum Einkaufen lies, sei dahingestellt. Auf alle Fälle handelt es sich um ein leckeres Pastagericht.

Knoblauch (3-5) und in Öl oder Salz eingelegte Sardellen (3) werden in Olivenöl angeschwitzt, bis die Sardellen zerfallen. Danach kommen die Tomaten dazu. Bei frischen Tomaten dürften 4-5 Stück ausreichen. Ansonsten greift man auf Dosentomaten zurück. Eine kleine Dose ist dabei ausreichend. Als Schärfeliebhaber geben wir noch ca. 5-7 scharfe, klein geschnittene Peperoncini hinzu.

Die Soße wird auf kleiner Flamme sämig gekocht. Manche geben als Gewürz eine gute Prise Oregano hinzu. Wir bevorzugen allerdings Petersilie, die wir erst am Schluß zur Soße geben. Eine puttanesca zeichnet sich besonders durch ihren intensiven Geschmack aus, der durch die Kombination aus Oliven und Kapern entsteht.

Je kleiner die Kapern, desto feiner, sagt man. Sie sind bei uns meistens in Essig eingelegt zu bekommen. Im Mittelmeerraum ist allerdings die in Salz eingelegte Variante verbreiteter. Der feine Geschmack der Blütenknospen bleibt erhalten und wird nicht durch eine Essigtunke übertönt. Bei Königsberger Klopsen spielt das natürlich keine entscheidende Rolle, den dafür werden die deutschen Kapern wohl am häufigsten benutzt. Wir bevorzugen also die in Salz eingelegte Variante, die aber vorher noch gewässert werden muß. Abspülen im Sieb reicht oftmals aus, das Salz für die Soße dann entsprechend reduzieren. Bei den Oliven nehmen wir eine hochwertige Sorte. Zu Hause kommen oft Kalmataoliven zum Einsatz. Natürlich mit Stein, denn die entsteinten Oliven verlieren ihren Geschmack und oftmals sind die schwarzen Sorten mit Eisengluconat (E579) eingefärbte grüne Oliven. Schwarze Oliven sind nie ganz schwarz, sie haben einen violetten Farbschimmer. Ist unsere Soße sämig genug, geben wir die entsteinten und klein geschnittenen Oliven (ca. 9-12) und Kapern (ca. 1 gehäufter EL) hinzu. Zum Schluß die Petersilie darüber und mit den al dente gekochten Nudeln vermischen.

buon appetito.

Kalabrische Impressionen

Im Bergstädtchen Rossano übernachten wir auf einem kostenlosen kommunalen Stellplatz, der direkt neben einem Brunnen liegt. Dort holen viele am Abend, sowie am nächsten Morgen im 5-Minutentakt ihr Wasser. Entweder füllen sie mehrere leere PET-Flaschen, oder sie kommen gleich mit großen Kanistern bewehrt, um sich einzudecken. Das Wasser ist angenehm weich. Bedenkt man, daß das Leitungswasser oftmals gechlort ist, erklärt sich der Ansturm auf die an vielen Stellen befindlichen Brunnen von selbst. Auch wir füllen unseren Wassertank bis oben hin voll.

Die Altstadt von Rossano.
Balkone als kleine Gartenoasen.
Steile Treppen in Rossano.
Im Inland ist Kalabrien gebirgig.
In der Nähe des Bahnhofs von Sibari. Dort warteten wir vor ein paar Jahren mit unseren Rucksäcken auf den Bus nach Tarent. Es sieht dort immer noch genauso aus. Arbeiter und Bauern schauen auf einen Espresso vorbei und wir haben den Eindruck, der Platz ist der Umschlagplatz für Neuigkeiten.
Mobile Gemüsehändler stehen am Straßenrand.
Karins Fundsachen.
In Tropea. Auf dem Parkplatz haben wir genächtigt.
Beim Capo Vaticano.
Die Straße von Messina am Abend. Auf der anderen Seite liegt Sizilien.

Der Müll, die Stadt und der Tod

Der Beitrag spielt keineswegs auf ein gleichnamiges und umstrittenes Theaterstück von Rainer Werner Fassbinder an, sondern auf die Situation, die wir in Süditalien vorfinden. Der Müll ist hier allgegenwärtig sichtbar. Vor allem in den Seitengassen und Flurwegen, ab von den touristisch befahrenen Routen traut man seinen Augen nicht. In einem deutschen Müllverwertungsbetrieb sieht es aufgeräumter aus als hier. Der kalabrische Zweig der Mafia, die Ndrangheta verdient nicht nur kräftig an der Müllverklappung, auch die örtlichen Müllbetriebe stehen oftmals auf der Gehaltsliste, bzw. die Firmen werden ständig neu ausgeschrieben. In der Zwischenzeit bleibt der Müll einfach liegen, oder er wird zuweilen unter Aufsicht des Militärs auf „wilden Deponien“ abgeladen. Seit Jahrzehnten fehlen geeignete Verbrennungsanlagen und seitdem China keinen europäischen Müll mehr annimmt, hat sich in Italien das Müllproblem nochmals verschärft. Aber alles der „Ehrenwerten Gesellschaft“ in die Schuhe schieben zu wollen, greift zu kurz. Es stehen unterschiedliche Tonnen für Glas, Alu, Papier und Restmüll an vielen Stellen, nur sind die oftmals halb leer bzw. der Inhalt ist wild durchgemischt. Glas in der Komposttonne, Plastik im Papierbehälter. Der Gedanke der Mülltrennung hat sich in Italien noch nicht durchgesetzt, heißt es. Aber, bei uns zu Hause machen sie es ja genauso. Ich empfehle, am Abend vor der Abholung in die Tonnen der Nachbarn zu schauen, der Anblick wird sich gleichen. Der Unterschied besteht darin, daß es in Italien anscheinend niemanden stört, wenn der Müll in der Landschaft liegt. PET-Flaschen werden einfach liegen gelassen. Die Picknickreste bleiben an Ort und Stelle liegen. Auffällig viele Matratzen sehen wir immer wieder am Straßenrand liegen. Sind die Matratzen hier von so schlechter Qualität, oder entsorgen die Leute sie öfter als bei uns? An vielen Stellen im ländlichen Raum sehen wir Rauchwolken. Dort geht nicht nur das dörre Ackerkraut in Flammen auf. Fährt man durch so eine Rauchwolke kratzt es gehörig in der Lunge, es riecht nach verbrannten Plastik.

Matratzen sind begehrte Wegwerfobjekte.
Das ist kein Einzelfall (bei Tropea in Kalabrien).
In den Bergen der Basilikata.

Wir fragen uns gelegentlich, ob wir noch in Europa sind. In Namibia haben wir so etwas nicht gesehen. Dort waren übrigens auch die Straßen besser, obwohl es sich um Schotterpisten gehandelt hat. Die ganze Situation trägt nicht dazu bei, dem Land etwas abzugewinnen. In Kalabrien existieren auf den Nebenstrecken keine Wegweiser mehr. Die Navigation mit Karte ist also schwierig. Unser Navigationsgerät schickt uns immer wieder auf engste Straßen mit Löchern so tief, daß eine Katze darin ersaufen könnte. Oftmals stehen wir vor Durchfahrten mit maximal zwei Metern Höhe und müssen wenden. Dabei kann schon mal die Stoßstange schaden nehmen. In den Städten und Dörfern hängen die Balkone sehr tief, die Gassen sind eng. Wir klappen die Spiegel ein, dann geht es schon. Trotzdem müssen wir höllisch aufpassen, unseren Van nicht auch noch am Dach zu schrammen. In diesem Land ist definitiv zu viel Verkehr. Die Besiedelung ist zu dicht für uns. Die großen Städte meiden wir. Was wollen wir da? Einkaufen, eine weitere Kirche besichtigen, das Verkehrschaos genießen. Nein danke, die Pampa reicht uns vollkommen. Italien ist nicht unbedingt mein (unser) Land, soviel steht schon fest. Ich hatte das Gefühl bereits am ersten Tag. Zwischenzeitlich hat es sich abgeschwächt, mittlerweile verstärkt es sich wieder. Die Goethe’sche Sehnsucht nach Italien kann ich nicht nachvollziehen. Vielleicht war es früher anders. Aber dieser Oberstudienrat aus Weimar war mir immer suspekt. Schiller ist mir lieber. Aber daß es auch heute noch so viele nach Italien zieht, kann ich nicht nachvollziehen. Das Gehupe geht mir auf die Nerven, die Fahrweise aus Überholwahn und Geschwindigkeit, das pathetische Geschnatter der Menschen nervt an manchen Tagen. Es gibt Momente, da möchte ich dieses Land fluchtartig verlassen. Was mich davon abhält? Vor allem Karin. Natürlich auch die Tatsache, daß es hier warm ist und man frische Vongole an der Fischtheke bekommt. Nicht mehr und auch nicht weniger.

Aus der Camperküche – Spaghetti alla carbonara

Die Spaghetti alla carbonara (d.h. nach „Köhlerart“) gehört unserer Meinung nach zu den italienischen Gerichten, dessen italienische Zubereitungsart von der deutschen Küche mit am schlimmsten pervertiert wurde. Sahne und Kochschinken, wie oft in deutschen Rezepten anzutreffen, kommen nicht in eine Carbonara. Obwohl, ganz richtig ist die Aussage nicht. Einen kleinen Schuß Sahne oder Weißwein gönnt sich der Italiener zuweilen doch. Aber diese Freiheit nimmt er sich auch bei einem Ragu alla bolognese (bei dem die Italiener Tagliatelle statt Spaghetti favorisieren). Die Cremigkeit der Soße bei der Carbonara (siehe Video) entsteht durch die Verbindung aus Eiern, Speck und Käse. Sonst braucht es für die Herstellung des Gerichtes, außer grob zerstoßenen Pfeffer, keine weiteren Zutaten. Die Zubereitungsart stammt ursprünglich aus dem Latium und wenn es ein typisch römisches Gericht geben sollte, dann dieses. Der Ursprung liegt im Dunkeln. Angeblich geht die Rezeptur auf die Carbonari, die Kohlenhändler zurück. Wahrscheinlicher ist eine andere Version. Amerikanische Soldaten haben bei der Einnahme Roms während des 2. Weltkrieges ihre Verpflegungsration, die aus Eipulver und Speck bestand, mit der einheimischen Kochkultur verschmolzen. Als Speck kann man normalen Pancetta nehmen. Bevorzugt wird allerdings Guanciale, der aus der Schweinebacke stammt. Er ist sehr zart und delikat. Der Speck wird in der Pfanne mit wenig Olivenöl ausgelassen bis er gebräunt ist.

Vor sich hin brutzelnder Guanciale. Nichts für Weight Watchers 🙂

Als nächstes werden die Eier geschlagen. Für zwei Personen rechnet man 2 Eier. Wir bevorzugen eine andere Variante und nehmen 2-3 Eigelbe und ein Vollei. Dazu kommt noch geriebener Pecorino (oder Parmesan) und eine gehörige Portion groben frisch gemahlenen Pfeffers.

Geschlagene Eier vor der Zugabe des Pecorinos.

Für 2 Personen kochen wir 250g Spaghetti al dente. Dabei vergessen wir nicht, das Nudelwasser anständig zu salzen. 7-10g Salz (ein gehäufter Teelöffel) auf einen Liter Wasser sind dabei obligatorisch. Die Spaghetti abgießen. Ein wenig Kochwasser darf im Topf verbleiben. Nun folgt der kritische Moment unserer Kochbemühungen. Die Nudeln, bzw. der ausgelassene Speck dürfen nicht zu heiß sein, den sonst würde unsere Eimasse stocken und das gilt es zu vermeiden. Eine perfekt zubereitete Carbonara sollte nicht stocken, denn sie würde dadurch ihre wunderbare Cremigkeit verlieren. Wir vermischen den Speck mit den Nudeln und geben abschließend die Ei/Käsemasse mit dazu, verrühren und servieren sofort mit einer guten Portion groben Pfeffer und evtl. noch etwas Pecorino auf dem Teller.

buon appetito

Metaponto und die Magna Graecia

Über die App Park4Night finden wir einen Übernachtungsplatz in der Nähe von Metaponto. Er liegt direkt am Strand. Wir sind nicht allein. Es stehen bereits zwei Wohnmobile dort. Die Typen kommen aus Pinneberg. Hinter ihren Vans steht noch ein Anhänger. Wie sich später herausstellen wird, dient der zum Verstauen des Kitedrachen. Wir parken hinter den beiden, direkt auf dem geschotterten Weg, da die Parkplätze nebenan mittlerweile geschlossen sind. Viel Platz ist auf der Zufahrt nicht mehr, vor allem deshalb, weil einer der beiden sich quer gestellt hat, vermutlich um aus seinem Seitenfenster einen direkten Blick auf das Meer zu haben. Wir sind nicht lange dort, als ein Einheimischer kommt und einen der Pinneberger anspricht. Wie sich herausstellt spricht er kein italienisch. Als ich dazukomme fragt er mich, ob ich italienisch könne, was ich leider verneinen muß. Offensichtlich ist, daß dem Italiener die Parkweise des quer stehenden Wohnmobils stört. Ich versuche eine der elementarsten Formen von Kommunikation und ritze sein Problem mit einem Stecken in den Sand. Prompt kommt vom Pinneberger die Antwort: „Das habe ich schon verstanden.“ Ich sage nichts, denke mir aber: „Du Depp, es geht hier nicht um dich, sondern um den Einheimischen, der sich an etwas stört.“ Es geht darum eine Verbindung aufzubauen zwischen ihm und uns, und daß wir sein Problem respektieren. Stattdessen fängt der Pinneberger auf deutsch an mich gerichtet zu schwadronieren an: Eine Nacht würde schon gehen, das Auto gehöre seinem Kumpel der noch irgendwo am Strand unterwegs sei. Er hätte ein kleines Kind dabei (diese „Kindervorschieber“ haben wir wirklich gefressen) und ein Umparken würde wegen des Windes deshalb nicht gehen. Komisch 50 bzw. 100 Meter weiter hinten an der Straße merkt man den Wind nicht mehr, warum stehen sie dann nicht dort? Schließlich rennt er davon, sagt er müsse seinen Kite einpacken und läßt mich mit dem Italiener alleine stehen. Was für ein Idiot denke ich mir. Als Karin dazu kommt, stehen wir bei ihm und geben unsere wenigen italienischen Wörter zum Besten. Er verabschiedet sich schließlich und geht zum Strand. Am nächsten Tag als wir aufbrechen, stehen die beiden Wagen immer noch dort. Es sieht nicht so aus, als ob sie heute abreisen. Spätestens seit der Begegnung mit dem Einheimischen hätten wir unseren Wagen umgeparkt, ach was, wir hätten überhaupt nicht so eingeparkt. Wir fahren rückwärts und wenden in drei Zügen mitten auf dem Weg, da der Wendeplatz am Strand durch die Typen versperrt ist. Und genau das war das Problem des Italieners, die ziemlich liberal sind wenn es darum geht, wie und wo man sein Auto abstellt. Wundern muß man sich dann nicht, wenn an immer mehr Plätzen in Europa „Camping verboten“-Schilder stehen. Den Einheimischen kann man es bei so einem Verhalten nicht verdenken. Nach tausenden Kilometern Reise in Skandinavien und Italien ist zumindest auffällig, daß vor allem die jüngeren Wohnmobilisten (mit ihren gepflegten Bärten und Gebetsfahnen im Auto) dieses Verhalten an den Tag legen. Grüße im Vorbeigehen werden ignoriert, die Nachbarschaft wird als störend empfunden. Man möchte ihnen zurufen: „Jungs und Mädels, wenn ihr euren Egotrip fahren wollt, dann dürft ihr euch nicht nach einer App richten.“ Die älteren Wohnmobilisten sind kommunikativer, soviel steht fest.

Am Strand bei Metaponto.

Doch zurück zu Metaponto. In der Antike war die Stadt eine bedeutende Siedlung der Magna Graecia. Im 8. Jhd. v. Chr. siedelten Griechen in Süditalien und Sizilien und brachten ihre Kultur und religiösen Glaubensvorstellungen mit. In Metaponto stehen noch heute Reste eines Heratempels.

Die dorischen Säulen des Heratempels bei Metaponto.

In der Stadt gibt es ein Museum, in dem Unmengen an Artefakten aus prähistorischer und griechischer Zeit zu bewundern sind. Vasen, Krüge Waffen und Schmuckgegenstände werden in den Vitrinen präsentiert. Leider sind die Beschreibungen der archäologischen Fundstücke, bzw. die geschichtlichen Hintergründe auf den Schautafeln nur in italienisch. Schade, im Kulturhauptstadtjahr von Matera hätte dem Museum ein internationaler Ansatz sicher nicht geschadet. Hervorragend und sehr modern aufgemacht ist die Teilausstellung zu Pythagoras bzw. zur Geschichte der Mathematik. Die Themenwahl erfolgte wohl deshalb, weil Pythagoras im 6. Jhd. v. Chr. nach Metaponto übersiedelte und dort seine Schule gegründet hat. In dieser Stadt ist er laut Überlieferung auch verstorben. Auf uns hinterläßt die Stadt einen verschlafenen Eindruck. Die besten Zeiten hat Metaponto lange hinter sich.

Sonne am Morgen…
Sonnenuntergang am Strand.
Strandgewächse.

Hügel, Bergdörfer und Wälder – die Basilikata

Über Troia, das noch in Apulien liegt, nähern wir ins langsam der Basilikata. Als wir auf den freien Stellplatz von Troia fahren, ist der rappelvoll mit italienischen Wohnmobilen. Es ist der 2. November und an Allerheiligen haben die Leute vielleicht ihre Verwandtschaft und die Gräber ihrer Verstorbenen besucht. Ich erkenne den Platz sofort wieder, denn ich hatte ihn bereits in einem Youtube-Video gesehen.

Der Stellplatz ist voll mit italienischen Wohnmobilen.
In den Gassen von Troia.
Solchen Altären begegnen wir häufig.
Ein Brunnen mit kostenlosem Wasserangebot.
Die Messen für die Verstorbenen werden hier plakatiert.

Wir haben uns die Basilikata karger vorgestellt, jedoch gibt es hier immer wieder bewaldete Abschnitte. In der Landwirtschaft dominieren große Ackerflächen, die sich nicht selten über die weitläufige Hügellandschaft erstrecken. Dazwischen stehen Olivenhaine, die wie Diagonalen die Landschaft durchziehen. Im Vergleich zu den Abruzzen herrscht ein weitläufigeres Panorama vor. Die Landschaft wirkt offener. Hoch oben, auf den Bergrücken liegen Städte und Dörfer. Selbst bei Regen hat die dünn besiedelte Region etwas Liebliches und Schroffes zugleich.

Ein typisches Städtchen auf dem Bergrücken.

In Melfi wurde Geschichte geschrieben. Langobarden, Normannen und Friedrich II. seien als geschichtliche Fixpunkte genannt. Die alte Burg diente dem Stauferkaiser Friedrich II. als Sommerresidenz und hier hat er 1231 seine Gesetzessammlung geschrieben.

Die Normannen- bzw. Stauferburg in Melfi.
Hier oben bläst der Wind.

Matera ist neben dem bulgarischen Plovdiv Kulturhauptstadt Europas 2019. Interessant ist die Altstadt mit ihren Sassi, den Höhlensiedlungen, die seit 1993 zum Weltkulturerbe gehören.